Gedenken am WenzelnbergGedenken am Wenzelnberg


[update] Etwa 300 Men­schen ge­dach­ten der am 13. April 1945 von der Gestapo Er­mor­de­ten. Die Täter waren bekannt, wur­den aber nie belangt. »Die Opfer … gehörten zu den 700.000 Zwangs­arbei­te­rin­nen und Zwangs­­ar­bei­tern, Häft­lin­­gen, Kriegs­ge­fan­ge­nen und De­ser­­teu­ren, die noch im Früh­jahr 1945 bei Todes­mär­schen, Erschie­ßun­gen und Massa­kern sterben muss­ten«, so Christa Bröcher, VVN-BdA, in ihrer Rede. Wir dokumentieren:



Ich spreche hier für die Vereini­gung der Verfolg­ten des Nazi­regimes, Bund der Antifaschis­ten.

Christa Bröcher am Rednerpult.Unsere Organi­sation wurde 1946 in Nord­rhein-West­falen von 50.000 Über­le­ben­den der Verfol­gun­gen durch die Nazis als über­­par­­tei­­li­che Or­ga­ni­sation gegründet.


Die Opfer, an die wir hier mah­nend erinnern, gehörten zu den 700.000 Zwangs­arbei­terin­nen und Zwangs­arbei­tern, Häft­lingen, Kriegs­gefan­genen und Deser­teuren, die noch im Frühjahr 1945 bei Todes­mär­schen, Er­schießun­gen und Mas­sa­­kern sterben mussten.


In diesem Jahr sind es 80 Jahre her, dass Hitler und seiner Partei die Macht über­tra­­gen wur­de. Das Nürn­ber­ger Kriegs­­ver­­bre­cher­­tr­ibu­­nal stellte im No­vem­­ber 1945 fest, dass sofort nach dieser Machtü­ber­tragung an die Nazi­verschwö­rer, die geheime Auf­rüs­tung begann.


Schon vier Tage nach dem 30. Januar traf sich Hitler mit den Befehls­habern des Heeres und der Marine. Man einigte sich darauf, die »Wieder­gewin­nung der mili­täri­schen Macht« und deren Gebrauch anzu­gehen mit dem Ziel der »Erobe­rung von Lebens­raum im Osten« und dessen rücksichts­lose »Ger­ma­ni­­sie­rung« als Hauptaufgabe.


Mit »Germanisierung« war die Ausrot­tung von Juden und Slawen umschrie­ben. Mit den Rüstungs­bossen der Industrie einigte sich Hitler am 20. Feb­ruar 1933 darauf, dass sie ihn unter­stützen und er ihnen gewal­tige Rüs­tungs­­auf­trä­ge verschafft. Und so kam es zum grauen­volls­ten Krieg der Weltgeschichte.


In den ersten Monaten dieses Jahres gibt es viele »runde« Gedenk­tage, die schlag­licht­artig immer wieder bewusst machen, mit welch zielstre­bigen Konse­quenz das faschis­tische System, die faschis­tische Ideologie installiert wurden und welche un­ge­heuren Verbrechen verübt wurden – unterstützt von Stahl- Rüstungs- und Chemie­industrie und bis zu ihrer Selbst­auflösung ohne nennens­werten Wider­stand der bürgerlichen Parteien.


  • Am 20. Februar 1933 traf sich die Nazi-Führung mit der Industrie. Krupp, IG Farben, Vereinigte Stahl­werke u.a. stellen drei Millio­nen Reichs­mark für den Wahl­kampf der NSDAP zur Verfügung.
  • 22. Februar 1943: Vor 70 Jahren Hinrichtung der Geschwister Scholl.
  • 27. Februar 1933: Reichstagsbrand. Gleich am 28. Februar 1933 wurde die Verord­nung des Reichs­präsi­denten zum Schutz von Volk und Staat (Reichs­tags­brand­verord­nung) erlassen. Damit war der Weg frei für die legalisierte Verfolgung aller politischen Gegner der NSDAP.
  • Am 23. März 1933: Ermächtigungs­gesetz. Über­tra­gung der gesetz­gebe­rischen Gewalt an die Faschisten
  • Am 17. Mai 1933: letzte Sitzung des Reichs­tags als Mehr­parteien­parlament. Anschließend Auflösung. Zerschla­gung der KPD, Verbot der SPD am 22. Juni 1933, die Selbst­auf­lösung aller bürger­lichen Parteien und das »Gesetz gegen die Neubil­dung von Parteien« vom 14. Juli 1933.
  • 2. Mai 1933: Die Gewerkschaften werden verboten, tausende Gewerk­schafter verhaftet, verschleppt, gefoltert, umge­bracht, die Gewerk­schafts­häuser werden besetzt, ihr Vermögen beschlag­nahmt. Mit der Zerschla­gung der Gewerk­schaften wurde die letzte Kraft, die vielleicht noch Gegen­wehr hätte leisten können beseitigt.
  • 10. Mai 1933: Bücherverbrennung, In »Das Buch der verbo­tenen Bücher« von Werner Fuld steht: Am Ende umfasste sie (die Liste) 12 400 Titel und 149 Autoren, allein im belletris­tischen Bereich.


Die Anzahl der Autoren wissen­schaftlicher Werke ist noch wesentlich höher. 90 000 jüdi­sche Autoren, die in deutscher Sprache schrieben, sollten aus dem kultu­rellen und wissen­schaftlichen Leben in Deutsch­land verschwinden, siehe Broschüre von Ulrich Schneider »Verbrannte Bücher«.


1945 schworen sich die Menschen:
Es darf nie wieder soweit kommen!
Krieg darf nie mehr sein!

Blumengebinde. Schleifen: »Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus. VVN / BdA Wupperlal«.

Aber inzwischen wird mit deutschen Waffen wieder weltweit Krieg geführt. Deutsche Soldaten stehen im Kriegs­einsatz auf drei Erd­tei­len. Deutsch­land ist Rüs­tungs­­ex­port­na­tion Nr. 3. Zur­zeit wird wieder der Ex­port von Waf­fen nach Saudi Ara­bien und Ka­tar diskutiert.


Zu den wir­kungs­vol­len Be­we­gun­gen im Lan­de ge­hört die an­ti­fa­­schis­­ti­sche Bewegung.

Überall treten Men­schen den Na­zis und Ras­sis­ten mit phan­ta­sie­­vol­len Ak­tio­nen und Ver­an­stal­­tun­gen ent­ge­gen. Wir wün­schen uns ent­schie­de­ne­re Un­ter­­stüt­zung dieser Ak­ti­vi­­tä­ten durch die Be­hör­den, Po­li­zei und Ge­rich­te und keine ein­deu­tig po­li­tisch mo­ti­vier­ten Ver­ur­tei­­lun­gen von Teil­neh­mern anti­fa­schis­­ti­scher Demonstrationen.


Gedenken am Wenzelnberg.

Uns empört sehr, dass man bei ge­walt­tä­ti­gen Na­zi­ak­ti­vi­tä­ten wie z.B. den Ver­bre­chen des so­­ge­­nann­­ten »Na­tio­­nal­so­zia­­lis­­ti­­schen Un­ter­­grunds« sogar von Mit­hil­fe der Be­hör­den aus­ge­hen muss, wie die An­hö­run­gen im­mer klarer zeigen.


Die Um­stän­de des Pro­zes­ses zum Fall des »Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Un­ter­grunds« jetzt in Mün­chen, sind sehr be­un­ru­hi­gend. Es sieht so aus, als soll wieder die Ein­zel­tä­ter­theo­rie be­müht wer­den, ob­gleich es doch ein Netz­werk von ter­ro­ris­ti­schem Un­ter­grund gibt, zu dem auch V-Leute und Beamte von Behörden gehören.


Auschwitz:
Erst jetzt sollen 50 Täter angeklagt werden

Ein ande­res Ereig­nis bewegt uns eben­falls sehr: Die Tat­sa­che, dass erst jetzt 50 Täter aus dem Ver­nich­tungs­la­ger Ausch­witz an­ge­klagt werden sollen. Die Lud­wigs­bur­ger Zen­tral­stel­le hat dies jetzt be­kannt ge­geben.


Es zeigt sich wieder: Diese Zentralstelle zur Aufklärung von NS-Mas­sen­ver­bre­chen war und ist nicht in der Lage, sol­che Auf­trä­ge zur Auf­klä­rung zu er­fül­len. Sie hat nur 19 Mit­ar­bei­ter, in­klu­si­ve Kraft­fah­rer und Reinigungs­kräften.

Zum Vergleich:

  • Ludwigsburg hatte 20 Jahre nach Kriegsende 121 Mitarbeiter.
  • Die Stasi-Unterlagen-Behörde hatte 20 Jahre nach Ende der DDR 1.687 Mitarbeiter.

14 mal mehr Mitarbeiter also um die Aktenberge der Stasi aufzu­arbeiten als für die Verfolgung der Schul­di­gen an den Leichen­bergen der Nazis zur Verfü­gung standen. Nie hatte die Zentralstelle ausreichende Mittel und auch nie genügend Personal, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden.

Schwur von Buchen­wald

Jahr für Jahr haben hier die Zeitzeugen, die Zeugen des Widerstandes gesprochen und an den Schwur der be­freiten KZ-Häftlinge von Buchen­wald erinnert. Darin heißt es:

»Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig.«

Und an anderer Stelle:

»Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht.«


Karl Bennert

Einer, der lebenslang den Kampf für diese Ziele führte, weil er sich ihnen verpflichtet fühlte, war Karl Bennert aus Solingen. Er war aktiv im Kampf um die Erhaltung des Friedens bis zu seinem Lebensende im Jahr 2000, auch als seine Kräfte schon schwanden. Ihn verband sehr viel mit dieser Stätte, an der wir hier stehen.


Karl Bennert gehörte zu jener Widerstands­gruppe, die am Morgen des 17. April 1945 den Stadtteil So­lin­gen-Wald den Amerikanern kampflos übergeben konnte. Es war ihr gelungen, den Stadtteil weiß zu beflaggen und Kämpfe mit den Amerikanern zu verhindern. Das war ein lebens­gefähr­liches Unternehmen.


Es konnte leider nicht verhindert werden, dass das Verbrechen an den 71 Häftlingen verübt wurde, die hier in der Wenzeln­berg­schlucht bestattet liegen. Einige davon hat Karl Bennert selbst gekannt.


Er hatte noch am Tage des Einmarsches der US-Sol­da­ten Nachricht von dem Verbrechen erhalten, das sich hier in der Wenzeln­berg­schlucht vier Tage vor der Befreiung der Stadt zugetragen hat. Der US-Kampf­komman­dant gestattete Karl Bennert und seinen Freun­den nach der Befreiung Solingens, zur Erkun­dung mit einem PKW an den Wenzeln­berg zu fahren. Das Massen­grab, noch frisch, war leicht zu entdecken.


Straf­frei­

Karl Bennert sollte sich dann besonders der Aufklärung des Massen­mordes widmen, Es gelang, die Schuldigen namhaft zu machen.


Doch keiner der namentlich bekannten Gestapo-​ und Kripo­beamten wurde je für die Morde in der Wenzeln­berg­schlucht bestraft. Denn nach §6 des »Straf­frei­heits­gesetzes« von 1954 sollte Straf­freiheit für all jene Straf­taten gewährt werden, die »unter dem Einfluss der außer­gewöhn­lichen Verhält­nisse des Zusam­menbruchs zwischen dem 1. Oktober 1944 und dem 31. Juli 1945 in der Annahme einer Amts-, Dienst- oder Rechts­pflicht insbeson­dere auf Grund eines Befehls« begangen worden waren. Dies war de facto die General­amnestie für alle Mörder, die sich »Kriegs­end­phasen-Verbrechen« schuldig gemacht hatten.


Karl Bennert aber wurde wegen seines Eintretens gegen die Remili­tari­sie­rung der BRD und wegen seiner Tätigkeit in der Friedens­bewegung lange in Unter­su­chungs­­haft gehalten und zu 9 Mona­ten Ge­fäng­­nis verurteilt.


Als »enttäuschten und zornigen alten Mann« sah sich Karl Bennert später, In anderen Ländern wurde Menschen, die so mutig wie er handelten, die Ehren­bürger­schaft angetra­gen und Straßen nach ihnen benannt. In diesem Land war es schon viel, wenn Zeitzeugen einmal zu Wort kamen. Davon gibt es immer weniger.

Jugendliche mit Tranparent: »Schülerinnen & Schüler gemeinsam gegen Rassismus & Faschismus«.


Dies ist einer der Gründe, warum wir uns seit 1971 Vereini­gung der Verfolg­ten des Nazi­re­gi­mes / Bund der Anti­faschis­tin­nen und Anti­faschis­ten nennen. So können seitdem auch Hinter­bliebene und jüngere Anti­faschis­tinnen und Anti­faschis­ten bei uns Mitglied werden.


So können wir voneinander lernen: Die »Alten« geben ihre Er­fah­­run­gen weiter, die »Jungen« bringen frische Ideen in Kampf um die »Vernich­tung des Nazismus mit seinen Wurzeln« ein.


Diese Wurzeln sind noch da

Sie werden in jedem Überfall auf Ausländer sichtbar, im Anti­semitis­mus vieler Mitbürger, in jeder gedul­deten Zusam­men­rottung von Neonazis und in jedem kriege­rischen Akt, an dem auch unser Land leider schon wieder mitwirkt.


Wie fruchtbar der Geist noch ist aus dem das kriecht, zeigt sich in einer wissen­schaft­lichen Studie, die für die Friedrich Ebert Stiftung heraus­ge­ge­ben wurde. Titel: Die Mitte im Umbruch – Rechts­extreme Einstel­lun­gen in Deutsch­land 2012 (Oliver Decker, Johannes Kiess, Elmar Brähler).


Ich möchte hier nur die Aussagen wieder­geben, die eine Zustim­mung von mehr als 10 Pro­zent aller Deutschen fanden – was man wohl nicht mehr als »Rand der Gesellschaft« bezeichnen kann.


  • »Wir sollten einen Führer haben, der Deutschland mit starker Hand regiert« (10,1 Pro­zent)
  • » Was Deutschland jetzt braucht, ist eine einzige starke Partei, die die Volks­gemein­schaft insgesamt verkörpert« (16,1 Pro­zent)
  • »Wir sollten endlich wieder Mut zu einem starken National­gefühl haben« (39,2 Pro­zent)
  • »Was unser Land heute braucht, ist ein hartes und energisches Durch­setzen deutscher Interessen gegenüber dem Ausland« (29,7 Pro­zent)
  • »Das oberste Ziel deutscher Politik sollte es sein, Deutsch­land die Macht und Geltung zu verschaffen, die ihm zusteht« (27,4 Pro­zent)
  • »Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozial­staat auszunutzen« (36 Pro­zent)
  • »Wenn Arbeitsplätze knapp werden, soll man die Ausländer wieder in die Heimat­länder zurückschicken« (31,7 Pro­zent)
  • »Die Bundesrepublik ist durch die vielen Aus­länder in einem gefähr­lichen Maß überfremdet« (37,2 Pro­zent)
  • »Auch heute noch ist der Einfluss der Juden zu groß« (19,5 Pro­zent)
  • »Die Juden arbeiten mehr als andere Menschen mit üblen Tricks, um das zu erreichen, was sie wollen« (15,4 Pro­zent)
  • »Die Juden haben einfach etwas Besonderes und Eigentümliches an sich und passen nicht so recht zu uns« (14,5 Pro­zent)
  • »Ohne Judenvernichtung würde man Hitler heute als großen Staats­mann ansehen« (10,6 Pro­zent)


Immerhin 8 Pro­zent aller Deutschen finden die Aussage richtig: »Die Verbrechen des National­sozialis­mus sind in der Geschichts­schreibung weit über­trieben worden« und 10,2 Pro­zent stimmen zu, dass »der National­sozialis­mus (…) auch seine guten Seiten« hatte.


Womit wir wieder bei den Zeitzeugen wären:

Es gibt nur noch wenige, die weiter in die Schulen oder Jugend­gruppen gehen können um dort ihre Erlebnisse, ihre Erfahrungen im Widerstand gegen den Faschis­mus eindrucks­voll weiter­zugeben und mit den Jugend­lichen zu diskutieren – so wie es viele Nazi­ver­folgte jahr­zehn­te­­lang getan haben. Und auch mit Ihnen über die Entwick­lungen in der BRD nach 1945, die politische Verfolgung in der Zeit des »Kalten Krieges« bis hin zu den Berufs­verboten zu sprechen.

Gedenken am Wenzelnberg.

»Kinder des Widerstandes«

Der Verlust solcher Zeitzeugen wie Karl Bennert durch Tod oder Gebrech­lichkeit hat zur Gründung der Gruppe »Kinder des Widerstandes – Anti­­fa­schis­­mus als Aufgabe« geführt. Diese Gruppe entstand auf Initiative von vier Frauen und unterstützt von der VVN/BdA. Alle vier sind Töchter von Widerstands­kämpfern und -kämpferinnen: In dieser Gruppe arbeite ich auch mit als Tochter und Enkelin von Menschen im Widerstand gegen den Faschismus.


»Kinder des Widerstandes« wollen dem anti­faschis­tischen Kampf ein persön­liches Gesicht geben, zeigen was Widerstand, Verfolgung, Inhaftierung, Folter und Terror für den einzelnen Menschen und dessen Familien bedeutete. Wir wehren uns entschieden gegen alle Meinungen wie »Man muss mal einen Schluss­strich ziehen!« Doch dies nicht nur aus möglicher­weise als sentimental ab­ge­stem­pel­­ten Gründen:


Viele unserer Eltern und Großeltern leisteten schon während der Weima­rer Republik Widerstand gegen den aufkom­menden Faschis­mus, klar benen­nend, wer ein Interesse an der Macht­ergreifung der Nazis hatte und welche Ziele diese verfolgten. Ihre Erkenntnisse sind angesichts des Erstarkens des Rechts­radikalis­mus in unserem Land brennend aktuell. Ihre Er­fah­run­gen im Kampf gegen den Faschis­mus wollen wir weiter­geben – auch ihre Einschät­zung, warum es nicht gelang, dass »Dritte Reich« zu verhindern.


Auch nach der Niederschlagung des Faschis­mus waren die Überle­benden der national­sozialis­tischen Verfolgung und des Terrors trotz der erlittenen physischen und oft auch psychischen Schäden wieder aktiv für ein de­mo­kra­­ti­sches, friedlie­bendes Deutschland.


Ein Beitrag der von der offiziellen BRD Politik heute fast völlig unter­schlagen wird – im Gegenteil, diejenigen, die mit Einsatz ihres Lebens gegen Fa­schis­mus und Krieg gekämpft hatten, fanden sich recht bald wegen ihres neuer­lichen Einsatzes für Frieden und Demokratie neuen Diffa­mie­rungen und Verfol­gungen ausgesetzt.


Auch die Kinder und Enkel der Betroffenen hatten – infolge der Leiden ihrer Verwandten – mit zu leiden: Denn die Familien der Opfer litten oft materielle Not, deren Kinder und Enkel waren zum Teil betroffen von psychi­schen Schäden und Trauma­tisie­rungen, sie waren im Bildungs­wesen, in Schule und Gesellschaft Diskrimi­nierungen bis hin zu Berufs­verboten aus­ge­setzt. Sie galten als Kinder von »Vorbestraften«.


Wenn heute so überrascht getan wird angesichts der Morde und des Terrors des National­sozialis­tischen Unter­grundes NSU, dann müssen gerade wir »Kinder des Wider­standes« daran erinnern, dass die Überle­benden des Nazi­terrors bereits nach 1945 und be­son­ders in den Anfängen der BRD, in den 50er und 60er Jahren, den Kampf gegen die Refaschi­sierung aufnahmen.

Gedenken am Wenzelnberg.

In der öffentlichen Wahr­neh­mung und im öf­fent­lichen Ge­den­ken wird der Wider­stand gegen das NS-Regime meist auf die Geschwister Scholl bzw. die »Weiße Rose« und die Männer des 20. Juli reduziert.


Viele Jugendliche beklagen, dass sie in der Schule – unabhängig von der Schulform – über den Faschismus und seine Ursachen kaum etwas erfahren haben. Oft erschöpfen sich ihre Kennt­nisse in Hitler gleich Nazizeit gleich Judenverfolgung.


»Vergesst nicht unsere bitterste Erfahrung!« warnt Peter Gingold in dem 2009 erschienenen Buch »Paris Boulevard St. Martin No.11.«


»Die Faschisten sind nicht an die Macht gekommen, weil sie stärker waren, als ihre Gegner, sondern weil wir uns nicht rechtzeitig zu­sammengefunden haben. Wenn die starke SPD, deren Anhänger klassen­bewusst und kämpfe­risch waren, mit ihrer pa­ra­­mi­li­­tä­ri­­schen For­ma­tion »Reichsbanner« und die KPD mit ihrem »Rot­front­­kämp­fer­­bund« und die starken Gewerk­schaften zusammen­gestanden hätten, wäre Hitler nicht an die Macht gekommen.«


Er schreibt weiter: »1933 wäre verhindert worden, wenn alle Hitler­gegner die Einheits­front geschaffen hätten. Dass sie nicht zustande kam, dafür gab es … nur eine einzige Entschul­digung: Sie hatten keine Erfahrung, was Faschis­mus bedeutet, wenn er einmal an der Macht ist.


Aber heute haben wir alle diese Erfahrung, heute muss jeder wissen, was Faschis­mus bedeutet. Für alle zu­künf­ti­gen Genera­tionen gibt es keine Entschuldi­gung mehr, wenn sie den Faschismus nicht verhindern.« so Peter Gingold.


Heutige Generationen tragen keine Schuld an den Ereig­nissen der Ver­gan­gen­­heit. Aber sie werden schuldig, wenn sie heute nicht entschieden gegen Rassis­mus, Fremden­feindlichkeit, menschen­verach­tendes Verhalten – kurz: gegen die vielfältigen Erschei­nungs­formen faschis­tischer Ideo­logie, ein­tre­ten. Und dabei gilt es, bei allen vorhan­denen ideolo­gischen Unter­schieden, einig zu sein im Kampf gegen rechts.


Das sind wir unseren Eltern und Großeltern, allen Wider­stands­kämp­ferInnen und Opfern des Faschismus schuldig.


Fotos: Gisela Blomberg