»Ein Zeichen für den Frieden und gegen Gewalt«
Antifaschistinnen und Antifaschisten, Bürgerinnen und Bürger aus dem Umkreis der Städte Remscheid, Solingen, Wuppertal, Langenfeld und Leverkusen gedachten der 71 Widerstandskämpfer und Zwangsarbeiter verschiedener Gefängnisse der Region, die am 13. April 1945 in der Schlucht am Wenzelnberg ermordet wurden – nur wenige Tage vor der Befreiung vom Faschismus.
Wir dokumentieren die Ansprache von Bürgermeister Frank Schneider anlässlich der Gedenkfeier am Mahnmal Wenzelnberg am 21. April 2013
Weder die Opfer, noch die Schandtat selbst sind in Vergessenheit geraten
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich darf Sie im Namen der Stadt Langenfeld zur diesjährigen Gedenkstunde begrüßen und Ihnen für Ihre Teilnahme danken. Ein besonderes Dankeschön an Frau Christa Bröcher, die Herrn Jürgen Schuh, den Landesgeschäftsführer der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten NRW, heute vertreten wird. Die große Resonanz bei dieser Gedenkstunde zeigt mir Jahr für Jahr, dass weder die Opfer, noch die Schandtat selbst in Vergessenheit geraten und wir auch fast 70 Jahre nach den schauderhaften Ereignissen nicht müde werden, dieser Tat der Grausamkeit zu gedenken, um heute in der Gegenwart ein Zeichen für den Frieden und gegen Gewalt zu setzen.
Es könnte ein Frühlingstag wie der heutige gewesen sein, als sich hier an dieser Stelle am 13. April 1945 das grausamste Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf Langenfelder Boden ereignete und 71 Männer auf schreckliche Weise den Tod fanden. Zu zweit aneinander gefesselt, um innerhalb einer Stunde nach und nach vom Erschießungskommando hingerichtet zu werden.
Eine Tat, die wir uns in unseren schlimmsten Albträumen nicht ausmalen können und auch nicht ausmalen wollen. Doch sie hat sich ereignet und sie hat sich genau hier ereignet. Eine Tat, die, wäre es nach den Nazis gegangen, nie entdeckt werden sollte. Doch die entsetzlichen Schreie und die Schüsse, die 71 Menschenleben auslöschten, waren nicht zu überhören.
Eine Tat, die leider kein Einzelfall in den letzten Kriegstagen war, als die Schergen des Nazi-Unrechtsregimes im Angesicht der bevorstehenden Niederlage versuchten, diejenigen auszulöschen, die ihnen womöglich hätten gefährlich werden können, wenn der zwölf Jahre andauernde Wahnsinn vom Dritten Reich endlich zusammenbrach.
Eine Tat, die auch stellvertretend für alle Schandtaten dieses Gewaltregimes steht, das sich anmaßte, über Leben und Tod von Millionen von Menschen zu entscheiden, nur weil sie einer anderen Ideologie folgten oder einer anderen Kultur oder Religion angehörten. Diese Gedenkstätte, dieser Ort der letzten Ruhe für die Ermordeten, ist unsere Mahnung an die Sinnlosigkeit von Krieg und Gewalt, die eben auch in unseren Städten traurige Realität waren. Ein Ort, der dafür sorgt, dass wir niemals vergessen, was der Mensch dem Menschen anzutun im Stande ist.
Bei allem Schrecken, der sich hier vor 68 Jahren zutrug, soll es aber auch ein Ort der Hoffnung sein, der uns zeigt, dass es Menschen gibt, die sich auch bei einem sehr langen zeitlichen Abstand zu den Geschehnissen auf die Mahnung besinnen. Menschen, die sich mit der Geschichte und deren Folgen für die Gegenwart auseinandersetzen und somit nicht nur das Gedenken an die Opfer aufrecht erhalten, sondern inzwischen in der dritten Generation nach dem Krieg dafür sorgen, dass wir wach bleiben für Signale und Strömungen, die in die Richtung eines Regimes gehen könnten, wie man es die Nazis einst entfachen ließ.
Neo-Nazi-Terror
Denn leider lässt es sich auch heute immer noch nicht verhindern, dass es Kriminelle gibt, die genau dieser, eigentlich für uns als moderne Gesellschaft gar nicht mehr vorstellbaren Ideologien folgen. Der Neo-Nazi-Terror der vergangenen Jahre verbildlicht auf sehr traurige Weise, dass es hier nicht nur um politisch nicht nachvollziehbare Überzeugungen und rechte Gröhlereien, sondern um tatsächlich ausgeübte und Tod bringende Gewalt geht, die leider immer noch in unserem Land geschieht, obwohl sie eigentlich nie wieder geschehen dürfte.
Die aktuelle Berichterstattung im Zusammenhang mit den Taten der von den Medien als »Zwickauer Zelle« bezeichneten Täter bringt erschreckende Erkenntnisse ans Licht. Vor allem der Umstand, dass das Netzwerk der Neonazis in unserem Land viel größer zu sein scheint, als man es sich vorstellen konnte, oder vorstellen wollte, da es einfach immer noch unvorstellbar ist, dass es nach 1945 Menschen in unserem Land gibt, die aus reiner Menschenverachtung morden.
Ein Satz des Vorsitzenden des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy, hat mich in dieser Woche besonders beeindruckt, da er mir aus der Seele spricht:
»Nicht die Zugewanderten sind fremd in diesem Land,
sondern die Rassisten und die Menschenverächter«.
Es ist unsere Pflicht, als Staat und als Gemeinschaft, in unserem Land Menschen jeder Kultur, Religion und Nationalität ein Leben zu ermöglichen, ohne dass sie Angst haben müssen ins Fadenkreuz derer zu gelangen, die immer noch nicht verstanden haben, wie falsch und unmenschlich das Nazi-Regime war und wie schlecht jede Form von Gewalt und Menschenhass ist.
Verfolgung, Krieg und Gewalt sind keine Lösung
Ich glaube dennoch mit mehr Überzeugung als Hoffnung daran, dass unsere Gesellschaft, die große Mehrheit, also auch wir, die wir heute hier sind, verstanden haben, dass Verfolgung, Krieg und Gewalt nicht die letzte Lösung, sondern gar keine Lösung darstellen. Veranstaltungen wie die heutige stärken mich in dieser Überzeugung. Ganz besonders freut es mich, dass es Jahr für Jahr immer wieder junge Menschen sind, die sich bei dieser Veranstaltung, wie auch bei vielen weiteren in diesem Land mit der Thematik auseinandersetzen, sich engagiert in die Geschichte einarbeiten und damit vor allem als Multiplikatoren ihrer Generation ein Zeichen gegen das Vergessen und für die gegenwärtige Mahnung setzen. Die jungen Menschen werden somit sensibilisiert, damit sich eine Schreckensherrschaft wie die der Nazis zwischen 1933 und 1945 niemals wiederholen darf.
Der deutsche Philosoph Karl Jaspers hat einmal gesagt,
»Der Friede beginnt im eigenen Haus«.
Botschaft des Friedens
Unser aller Aufgabe ist es, die Botschaft des Friedens und gegen Gewalt nicht nur an diesen Gedenktagen und hier vor Ort zu leben, sondern in das tägliche Leben zu übertragen und einzubinden. Es ist an uns, diese Haltung unseren Kindern und Enkeln mit auf den Lebensweg zu geben und ein Bewusstsein zu stärken und auszubauen, das Krieg und Gewalt als Tabu, als absolutes »No-go«, definiert.
Wenn wir alle, jede und jeder einzelne von uns dies in unserem persönlichen Umfeld umsetzen und leben, ist meiner Meinung nach schon viel erreicht. Ferner halte ich es für unsere tägliche Pflicht, dort, wo wir bemerken, dass eine rechte Gesinnung herrscht oder aufkeimt, gegenzusteuern wohlgemerkt durch Worte und Argumente und nicht mit Gewalt, da uns Gewalt nicht von diesen Tätern unterscheiden würde.
Toleranz
Wir werden mit einem friedfertigen und von Toleranz geprägten Miteinander in unserem direkten Einflussbereich vielleicht nicht die Kriege auf dieser Welt beenden. Gerade wir in Deutschland sollten aber Zeichen setzen und versuchen, Vorbild zu sein und aus unserer eigenen Geschichte lernen.
Ohne nun die Diskussion über Schuld und Unschuld nachfolgender Generationen an den Gräueltaten der Nazis entfachen zu wollen, ist es doch eines, das wir als Deutsche auf jeden Fall tragen, unabhängig von unserem Geburtsjahr: Verantwortung – Verantwortung, dass derartige Taten nie wieder geschehen – und dies über alle Generationen, auch die in der Zukunft geborenen.
Verantwortung
Lassen Sie uns dieser Verantwortung gerecht werden, lassen Sie uns ein eindeutiges und unmissverständliches Zeichen setzen mit der Forderung,
»Nie mehr Krieg, nie mehr Verfolgung von Menschen mit anderen Ansichten, Ideologien, Kulturen oder Religionen, nie mehr Gewalt«.
Lassen Sie uns gemeinsam dieses Zeichen setzen, lassen wir den heutigen Tag ein weiteres Zeichen in Richtung Frieden und tolerantes Miteinander sein. Leben wir es in unserem Alltag. Vermitteln wir es an unsere Mitmenschen. Nur so können wir meiner Meinung nach etwas bewegen.
Die Ermordung der 71 Menschen an dieser Stelle wird niemals einen Sinn erhalten. Diese sinnlose Tat mahnt uns, ein solches Verbrechen nie wieder passieren zu lassen. Die Verantwortung dafür tragen wir, hier und heute und in der Zukunft.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Schlussworte:
Meine Damen und Herren,
ich darf mich zum Abschluss der diesjährigen Gedenkveranstaltung für Ihre Teilnahme bedanken. Ein besonderes Dankeschön möchte ich an diejenigen richten, die heute dazu beigetragen haben.
Den Schülern des Konrad-Adenauer-Gymnasiums, Simon Altmann und Jan Schulte, die uns sehr interessante Eindrücke vermitteln konnten, wie junge Menschen, die fast 50 Jahre nach Kriegsende geboren wurden, mit diesem Thema umgehen.
Außerdem danke ich Frau Christa Broecher aus Duisburg für ihren Beitrag im Namen der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten NRW, die sich heute bereit erklärt hat, Herrn Schuh zu vertreten, der leider kurzfristig erkrankt ist. Von dieser Stelle aus meine besten Genesungswünsche an Herrn Schuh.
Nicht zuletzt möchte ich mich für die außergewöhnliche musikalische Begleitung der diesjährigen Veranstaltung durch den Kammerchor Langenfeld unter der Leitung von Christoph Willer bedanken. Wir werden nun noch einen Liedbeitrag des Chores hören, bevor wir die Gedenkfeier ausklingen lassen.
Kommen Sie gut nach Hause. Vielen Dank.
Es gilt das gesprochene Wort.
Fotos: Klaus Müller
- Fotogalerie »Gedenkfeier Wenzelnberg 21.04.2013«
von Gisela Blomberg - Fotogalerie »Gedenkfeier Wenzelnberg 21.04.2013«
von Klaus Müller - Wenzelnberg: Gedenken an die Ermordeten und Mahnung zum Frieden
Beitrag auf VVN/BdA NRW