Kanzlerwort
Gestern abend, plötzlich im Gewühl
Kam abhanden mir mein Nationalgefühl
Eben hatt ichs noch, auf einmals war es weg.
Ach, wo war es nur? Lag es vielleicht im Dreck?
Oder hatte es ein Taschendieb geklaut?
Fiel s in den Kaffee und ist da aufgetaut?
Ich vermisse, oh, mir wird ganz schwül,
ich vermisse so mein Nationalgefühl.
Ob ich es beim Autofahrn verlor?
Kam es etwa schon zu Hause nicht mehr vor?
Ist ins Telefon, den Mixer mir gerutscht,
in den Staubsauger, den Kühlschrank reingerutscht?
Wurde es vielleicht beim Fernsehn eingelullt?
Oder sind die Kommunisten daran schuld?
Ich vermisse, oh, mir wird ganz schwül,
Ich vermisse so mein Nationalgefühl
Es war schon ein wenig strapaziert,
Denn wir sind ein bisschen viel damit marschiert.
Zogen damit hin und wieder her
Einst vom Nordkap bis ans schwarze Meer.
Ja, ein Nationalgefühl ist wirklich gut:
Nie kriegt man auf sich, nur auf die andern Wut!
Ich vermisse, oh, mit wird ganz schwül,
Ich vermisse so mein Nationalgefühl.
Früher war ich immer auf uns stolz,
Die Geschichte war aus deutschem Eichenholz.
Da war Willi zwo, den man auch Lehmann hieß,
Und der Alte Fritz, der soviel Flöten blies.
Ferner musste man auch stolz auf Bismarck sein,
Heute fällt mir dazu nur noch Bückling ein.
Ich vermisse, oh, mir wird ganz schwül,
Ich vermisse so ein Nationalgefühl.
Gerd Semmer