Die kleine proletarische Insel am Müggelsee bzw. an der großen Krampe

Poster: Kuhle Wampe oder  Wem gehört die Welt?

Manchmal gerät man auch auf Spuren, indem man sich einfach verläuft. Wenn man auf der Suche nach ein paar raren Sonnenstrahlen auf unbekannten Pfaden in Müggelheim landet und plötzlich vor einem Schild steht »Kleingartenanlage Kuhle-Wampe 1,2 km«.

Sofort kamen Kindheitserinnerungen hoch. Die Erzählungen meines Vaters. Von den vielen Menschen die ihre Miete nicht mehr zahlen konnten. Und sich seit 1913 sich in kleine Lauben »auf Kuhle Wampe« retteten. Von den 6 Monaten in einem kleinen Verschlag hinter der Laube eines Freundes auf dem Zeltplatz Kuhle Wampe. Das war 1942. Er versteckte sich dort vor den Nazis. Wie viele andere Genossen auch. Er erzählte oft den nächtlichen Razzien der Gestapo – von der Angst und dem Hunger. Und dass viele Menschen ohne die Zuflucht »KuhleWampe« den Krieg nicht überlebt hätten.

Aber auch Erinnerungen an den grandiosen Film »Kuhle Wampe«der zu großen Teilen auf dem Zeltplatz gedreht wurde. An das Freilicht – Kino in der Pionierrepublik Werbellinsee wo ich als Westberliner Thälmann-Pionier mit Pionieren aus sehr vielen Ländern zusammen den Kuhle-Wampe-Film ansehen durfte. Die Liebesgeschichte war mir damals noch ziemlich egal. Aber nicht die grandiose Schluss-Szene in der Bahn. Der Streit darum, wer die Welt verändern könnte. Na die, denen die Welt nicht gefällt! Klar – wer sonst. Das leuchtete uns sofort ein. Und das Solidaritätslied haben alle begeistert mit gesungen.

Filmszene aus Kuhle Wampe.Der Film »Kuhle Wampe« wurde nach vielen Schwierigkeiten im Mai 1932 im Kino Atrium aufgeführt und dann in 13 weiteren Kinos in Berlin gezeigt. Bertolt Brecht hatte große Teile des Drehbuches geschrieben und Hans Eisler die Filmmusik. Aber schon Ende 1932 wurde der Film wegen angeblicher Beleidigung des Reichspräsidenten und der Religion verboten. Nach Protesten durfte er vorübergehend wieder gezeigt werden. Aber im März 1933 war aber endgültig Schluss. Brecht schrieb dazu: Der Inhalt und die Absicht des Films geht am besten aus der Aufführung der Gründe hervor, aus denen die Zensur ihn verboten hat« Nach dem 2. Weltkrieg war der Film erst einmal verschollen und tauchte dann in den 50er Jahren in der DDR wieder auf und wurde dann ab 1968 auch in der BRD und Westberlin gezeigt. Aus dieser Zeit gibt auch die Kuhle-Wampe Motorrad-Clubs in vielen Städten, die als Teil der antifaschistischen Szene wirken.

Aber was ist geblieben von »Kuhle Wampe« – der kleinen proletarischen Insel? Erst einmal ist »Kuhle Wampe« nicht mehr am Müggelsee sondern an der großen Krampe. (Straße zur Krampenburg). Und wirkt ehrlich gesagt, sehr wenig revolutionär. Kleine Häuschen, gepflegte Gärten, der Duft nach Kaffee und Kuchen. Es gibt am Eingang ein nettes kleines Gartenlokal. Und eine Gedenktafel, die an die Mitarbeit Bert Brechts an den Film erinnert. Das Bier ist gut und das Eis sehr lecker. Und der junge Mann, der das Bier bringt weiß viel über die Geschichte von »Kuhle Wampe«Wir trafen dort ein nettes junges Paar. Touristen aus Australien. Die hatten sich auch verlaufen. Aber sie kannten den Film »Kuhle Wampe« und waren ganz begeistert wirklich am Ort des Geschehens zu sein. Wir haben ihnen die Sache mit dem Ortswechsel nicht verraten. Und mit ihnen über die Frage »Wem gehört die Welt« diskutiert. Nach drei Bier waren wir dann einer Meinung.


Ingeborg Lohse-Geserick
Quelle: Berliner Anstoß, September 2011
Fotos: Wikipedia | Berliner Anstoß