Nicht nur Zustimmung
Ein Beitrag von Otto Marx, Fritz Meinicke und Ramin Rene Sarrafi
Nach der Eröffnung der neu gestalteten Oberhausener Gedenkhalle gab es nicht nur Zustimmung. Es gab und gibt durchaus berechtigte Kritik, wie sie vor allem von Seiten der VVN-BdA geäußert wird.
Die Gedenkhalle diente nie einem Selbstzweck, ihre Ausstellung war stets der allgemeinen und politischen Meinungsbildung verpflichtet und somit Gegenstand der Geschichtspolitik. In der Ausstellung wurden die Schuldigen für die faschistische Diktatur benannt, der Opfer gedacht und die Frauen, Männer und Jugendlichen gewürdigt, die sich in Widerstandsbewegungen dem NS-Regime entgegengestellt hatten.
Nach der Umgestaltung der Gedenkhalle haben nicht nur Mitglieder der VVN-BdA, sondern auch andere an der Geschichte unserer Stadt interessierte Bürgerinnen und Bürger, inklusive der Verfasser dieses Schreibens feststellen müssen, dass Teile der früheren Ausstellung, die wesentlich zum Grundverständnis für die historischen zusammenhänge beitragen, nicht übernommen worden sind.
Aus der Gedenkhalle verschwunden: Paul Reusch
Der nun nicht mehr in der Ausstellung erwähnte Paul Reusch gehörte als Generaldirektor der Oberhausener Gutehoffnungshütte (GHH) und Mitglied mehrerer Vorstände und Aufsichtsräte der rheinischen Schwerindustrie zu jenen einflussreichen Kreisen der Großindustrie, die gemeinsam mit den Feinden der Weimarer Republik aus Staat, Militär und Justiz die Machtübertragung an Hitler durch Hindenburg erst möglich gemacht hatten.
Die führenden Köpfe der Schwerindustrie standen dem parlamentarischen System der Weimarer Republik ebenso ablehnend gegenüber wie die nicht entmachteten Monarchisten. Paul Reusch gehörte zu den antirepublikanischen Wirtschaftsfunktionären, die eine Präsidialdiktatur anstrebten. Ihre Interessen deckten sich zunächst mit denen der Deutschnationalen VolksPartei (DNVP) und der Deutschen VolksPartei (DVP), deren rechtem Flügel Paul Reusch angehörte. Da es diesen Parteien an Durchsetzungskraft fehlte, wandten sie sich schließlich der NSDAP zu. Das Großkapital strebte nach politischen Zuständen, die ihren ProfitInteressen am meisten zusagten.
Paul Reusch gründete im Januar 1928 die Ruhrlade. Es handelte sich hierbei um ein geheimes Gremium, in dem fast alle Unternehmer der Schwerindustrie des Ruhrgebietes vertreten waren. Der zweite Teil des Namens, Lade, erinnert an den so genannten Ladestock, ein Begriff aus dem Bergbau. Mit diesem Werkzeug schob der Sprengmeister den Sprengstoff in die vorbereiteten Bohrlöcher.
Die Ruhrlade war also gewissermaßen ein Programm zur Sprengung der parlamentarischen Demokratie. Die Mitglieder dieses exklusiven Zirkels mit dem harmlos klingenden Namen trafen sich in der Regel monatlich, um ihre Wirtschaftlichen und politischen Strategien zu bereden. Sie spendeten jährlich bis zu 1,5 Millionen Reichsmark für die rechten Parteien.
Über die Frage, welche Parteien für sie am nützlichsten waren, gab es anfangs keine einheitliche Meinung. Fritz Thyssen unterstützte die NSDAP bereits seit 1923. Paul Reuschs skeptische Einstellung zu den Nazis wegen ihrer vermeintlich »sozialistischen« Parolen änderte sich, als der Sozial- und Demokratieabbau gegen Ende der Weimarer Republik immer mehr auf den Widerstand der Beschäftigten und Arbeitslosen stieß.
Ab 1931 spendete die Ruhrlade massiv an die NSDAP. Im Februar 1932 traf sich Paul Reusch mit Adolf Hitler und Heinrich Himmler in der Zentrale des GHH-Konzerns. Er gab Hitler die Zusicherung, dass die zum GHH-Konzern gehörenden drei süddeutschen Zeitungen sich im Wahlkampf der NSDAP gegenüber »wohlwollend neutral« verhalten würden.1 Am 19. März kamen Reusch und die beiden NSDAP-Führer ein weiteres Mal zu einem zweistündigen Gespräch zusammen, wie Professor Johannes Bähr, der im Auftrag des MAN-Konzerns auch die Geschichte der GHH schrieb, berichtete. In diesem Gespräch äußerte Reusch seinen Unmut darüber, dass Hitler und Hindenburg bei den Reichspräsidentenwahlen gegeneinander kandidierten; das sei, so Reusch, nicht im Interesse der nationalen Sache. Im Übrigen solle Hitler seine sozialistischen Parolen aus dem Wahlprogramm streichen.
Reusch beteiligte sich nach seiner Besprechung mit Hitler an der Finanzierung einer Arbeitsstelle, die Hjalmar Schacht gegründet hatte, um Hitler »wirtschaftspolitisch zu beraten«.2 Am 7. Januar 1933 traf sich von Papen3 in Dortmund mit fünf führenden Ruhrindustriellen, darunter auch Paul Reusch. Angeblich ging es um die Beteiligung Hitlers an der Regierung unter der Führung von Papens.
Am 30. Januar 1933 wurde Hitler von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt.
Der Historiker Johannes Bähr schrieb über Paul Reusch, dieser habe mit seinen maßlosen Attacken gegen die Weimarer Demokratie dazu beigetragen, dem Nationalsozialismus den Weg an die Macht zu ebnen.
Im Frühsommer 1932 verfasste Paul Reusch Richtlinien für die Haltung der zum GHH-Konzern gehörenden Münchner Neueste Nachrichten, worin er dazu aufrief, »den Marxismus und wesensfremde Kultureinflüsse jeglicher Art zu bekämpfen «. Weiter heißt es in dem Papier: »Das demokratisch-parlamentarische System von Weimar ist die letzte Wurzel vieler Übel. Es ist als für Deutschland ungeeignet abzulehnen (…) Koalitionen mit den Sozialdemokraten sind grundsätzlich abzulehnen, mit den Nationalsozialisten grundsätzlich zu fördern«. Für den Bereich der Außenpolitik finden sich u.a. folgende Anmerkungen: »Die vornehmste Aufgabe des Blattes ist die Frage des nationalen Gedankens.
Die Zusammenfassung aller geschlossen siedelnden Deutschen in einem großdeutschen Reich … ist zu erstreben. Die Kriegsschuldlüge als Grundlage des Versailler Vertrages ist fortlaufend zu bekämpfen. Über die Notwendigkeit einer Revision der Ostgrenzen (Korridorfrage) ist planmäßige Aufklärung zu leisten.« 4
Die Reichstagswahlen vom 5. März 1933
Einen Tag nachdem Hitler zum Reichskanzler ernannt worden war, löste Reichspräsident Hindenburg den Reichstag auf, und es wurden Neuwahlen für den 5. März anberaumt. Die NSDAP erhoffte sich jetzt die absolute Mehrheit.
Vor der Inszenierung dieses Schmierentheaters trafen sich von Papen und Hitler am 4. Januar 1933 im Kölner Haus des Bankiers Kurt Freiherr von Schröder. Im Nürnberger I.G.-Farben-Prozess von 1947 gab Schröder eine eidesstattliche Erklärung ab, in der es heißt: »Die allgemeinen Bestrebungen der Männer der Wirtschaft gingen dahin, einen starken Führer in Deutschland an die Macht kommen zu sehen, der eine Regierung bilden würde, die lange Zeit an der Macht bleiben würde. Als die NSDAP am 6. November 1932 einen ersten Rückschlag erlitt und somit also ihren Höhepunkt überschritten hatte, wurde eine Unterstützung durch die deutsche Wirtschaft besonders dringend. Ein gemeinsames Interesse der Wirtschaft bestand in der Angst vor dem Bolschewismus und der Hoffnung, dass die Nationalsozialisten – einmal an der Macht – eine beständige politische und wirtschaftliche Grundlage in Deutschland herstellen würden.«5
Dass die NSDAP bei den Novemberwahlen einen Rückschlag erlitten hatte, zeigte sich auch bei den Oberhausener Wahlergebnissen (siehe Tabellen 1 und 2 im Vergleich).
Der Naziterror in Oberhausen vor den Wahlen vom 5. März 1933
In den Erläuterungen zur neuen Ausstellung heißt es, die Wahlen seien unter dem Vorzeichen des Terrors abgehalten worden. Zu dieser durchaus richtigen Aussage gibt es jedoch lediglich einen Verweis auf das Schicksal von Hermann Albertz, der gegen Ende des Krieges Opfer der faschistischen Gewaltherrschaft wurde.
Diese verkürzte und vereinfachte Darstellung des nationalsozialistischen Terrors in Oberhausen wird dem Gedenken an die Opfer indes nicht gerecht.
Bereits unmittelbar nach der Machtergreifung am 30. Januar 1933 marschierten SA-Trupps durch Oberhausener Arbeiterviertel und provozierten die Bewohner, so z.B. in der Siedlung Klosterhardt und in der Dunkelschlagkolonie. Am 5. Februar überfielen Nazis Antifaschisten vor dem »Volksheim« in der Marktstraße. Heinrich Irgl wurde hierbei durch einen Lungensteckschuss lebensgefährlich verletzt, zwei weitere Menschen wurden durch Messerstiche verwundet.
Mitte Februar wurde dann der Oberhausener Polizeipräsident Weyer, ein Mitglied der Zentrumspartei, abgesetzt. Durch die Notverordnungen des Reichspräsidenten Hindenburg vom 4. und 28. Februar 1933 und die Ernennung von SA und SS zur Hilfspolizei (22. Februar) waren dem faschistischen Terror keine Schranken mehr gesetzt.
Am 24. Februar wurden Gewerkschaftern und Sozialdemokraten auf offener Straße ihre Abzeichen von den Revers gerissen. Am 26. Februar verhinderten SA und SS, unterstützt von der Polizei, eine SPD-Veranstaltung in Sterkrade. Am Sterkrader Bahnhof wurde am gleichen Tag die Milchhalle des Kommunisten Jupp Kathage verwüstet.
Unmittelbar nach dem von den Nazis inszenierten Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 erfolgten auch in Oberhausen die ersten Massenverhaftungen. Mehr als 200 Kommunisten wurden in »Schutzhaft« genommen. Da das Polizeigefängnis zu klein war, internierte man die willkürlich Verhafteten in der Turnhalle des Realgymnasiums, dem heutigen Elsa-Brändström-Gymnasium. In der Nacht vom 5. zum 6. März wurden die beiden Kommunisten Konrad Klaas und Leo de Longueville von SA-Schergen auf dem Schulhof ermordet.
Der Wahlkampf war geprägt durch Einschüchterung, terroristische Gewalttaten und brutale Übergriffe, insbesondere auf Mitglieder von KPD und SPD. Führende kommunistische und sozialdemokratische Funktionäre sowie regimekritische Intellektuelle und Schriftsteller wie Carl von Ossietzky, Erich Mühsam, Egon Erwin Kisch oder Ludwig Renn wurden verhaftet. Trotz der unzähligen Fälle physischer Gewalt und einer beispiellosen Lügen- und Verleumdungskampagne gelang es der NSDAP nicht, die erhoffte absolute Mehrheit zu erreichen, weder im Reich noch in Oberhausen (siehe Tabelle 3).
Die Wahlergebnisse werden in der Ausstellung zwar erwähnt, aber leider nicht gezeigt, und man fragt sich, warum solche im historischen Kontext nicht ganz unwichtigen Fakten in der neuen Gedenkhalle keinen Platz finden.
Der Widerstand gegen die Nationalsozialisten in Oberhausen war parteiübergreifend
Der Widerstand gegen das NS-Regime begann mit der Machtübergabe an Hitler. Trotz umfangreicher Verfolgungen und Verhaftungen mit vielen Opfern konnte er nicht völlig unterdrückt werden.
In der neu gestalteten Ausstellung werden einzelne Widerstandskämpfer, ihr Wirken und ihre Verfolgung durch die NS-Diktatur vorgestellt. Ihre Lebensgeschichten sollen die Besucher der Ausstellung zum Nachdenken und zur Würdigung der vorgestellten Personen anregen. Dabei werden diese als Individualisten charakterisiert, die sich im Kampf gegen den Faschismus geopfert haben. Dass ihre Handlungen überwiegend im Rahmen gemeinschaftlicher Aktionen von Widerstandsgruppen und -Organisationen erfolgten, bleibt weitgehend im Dunkeln. Dies widerspricht den tatsächlichen Verhältnissen der damaligen Zeit und bedient den momentanen Zeitgeist der Individualisierung gesellschaftlicher Verhältnisse.
Dagegen zeichnete sich der Widerstand gegen die Naziherrschaft in Oberhausen dadurch aus, dass Antifaschisten über Partei- und Religionsgrenzen hinweg zusammenwirkten.
So erstattete die politische Inspektion des Kriminalkommissariats am 9. November 1934 Anzeige gegen den Kommunisten Georg Saur, den Sozialdemokraten Karl Schlegel und den Gewerkschaftssekretär und Sozialdemokraten Heinrich Jochem. Sie wurden beschuldigt, im Sinne der Einheitsfront eine Zusammenarbeit herbeizuführen, »um dadurch in verstärktem Maße die Reichsregierung bekämpfen zu können«.
Von herausragender Bedeutung war der Widerstand aus der Arbeiterjugend. So gab es im Heizungskeller des St.‑Josef-Krankenhauses eine illegale Druckerei. Die Bundeszentrale für politische Bildung schrieb bei der Vorstellung der alten Oberhausener Gedenkhalle:
»Die jugendlichen Kommunisten druckten hier Flugblätter gegen die Nationalsozialisten. (…) Im November 1934 wurden 19 Jugendliche, die mit dem Heizungskeller in Verbindung gebracht wurden, verhaftet und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Sechs wurden in das Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht, zwei kehrten nicht mehr lebend zurück.«
Jugendliche der Sturmscharen in der katholischen Jugend um Kaplan Rossaint verbreiteten Flugschriften gegen den Nationalsozialismus und organisierten Solidarität mit verfolgten Jungkommunisten.
Über Bedeutung und Leistung von Frauen im Widerstand ist in der umgestalteten Ausstellung kaum etwas zu erfahren. Lediglich in der Datenbank der Opfer am Ende der Ausstellung finden sich einige Informationen zu diesem Thema.
Die Rüstungswirtschaft und das Führerprinzip in den Betrieben – Die GHH und Paul Reusch
Um die Eroberungspläne der Nazis realisieren zu können, wurde die Rüstungsproduktion angekurbelt. Ein »reibungsloser« Produktionsablauf in den Betrieben war angesagt, darin waren sich die NS-Führer und die Konzernherren einig.
Bereits wenige Monate nach der Machtergreifung wurden die Gewerkschaften zerschlagen, viele ihrer Funktionäre in den Gewerkschaftsbüros und in den Betrieben verfolgt, verhaftet, ermordet. Die Unternehmer wurden zu Betriebsführern bzw. zu Wehrwirtschaftsführern ernannt, während die Belegschaften zu Gefolgschaften erniedrigt wurden.
Die GHH mit ihren ca. 20 Tochtergesellschaften, darunter MAN und Deutsche Werft, war eines der wichtigsten Rüstungsunternehmen der Naziherrschaft. Ohne die GHH wäre der brutale Krieg in Europa nicht möglich gewesen, denn der Konzern lieferte nicht nur Kohle und Stahl, wie Professor Johannes Bähr schrieb. Die Tochterunternehmen produzierten Panzer und U-Boot-Motoren. Die Kriegsmarine finanzierte eine zusätzliche MAN-Motorenfabrik in Hamburg. Selbst in den USA wurden MAN-Schiffsmotoren in Lizenz hergestellt, mit denen die USA ihre Kriegsschiffe ausrüsteten. Auch an der Produktion von Hitlers »Wunderwaffe« V1 war die GHH beteiligt. Auf dem Höhepunkt der Kriegsproduktion beutete der GHH-Konzern 31 500 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus, darunter viele KZ-Häftlinge. In ihren Oberhausener Betrieben waren es 11 000 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Die Profite flossen reichlich.
Doch nicht alles verlief für Reusch zufriedenstellend, denn Kapitalismus ohne Konkurrenz gibt es nicht, neue Akteure mischten sich ein. Es gab nicht nur Vorteile, sondern auch Behinderungen. Durch staatsmonopolistische Eingriffe zu Gunsten der Rüstungswirtschaft und der Reichswerke »Hermann-Göring« verlor die GHH ihr Monopol über Erzminen bei Salzgitter und in Süddeutschland. Das war ärgerlich für den Machtmenschen Reusch. Andauernde Querelen um Machtanteile und der ungünstige Kriegsverlauf reizten ihn zu Wutausbrüchen. 1942 schließlich gab er seine Vorstands- und Aufsichtsratsposten auf. Dies wirkte sich indes günstig für ihn aus bei seinem Entnazifizierungsverfahren nach 1945.
Nachdem Reusch seine Funktionen aufgegeben hatte, zog er sich auf sein schwäbisches Landgut zurück und gründete den so genannten Reusch-Kreis. Dieser bestand aus Industriellen und Großagrariern. Man diskutierte dort über den Kriegsverlauf und neue Strategien. Der Gestapo war bekannt, dass Carl Goerdeler, der dem konservativen, zivilen Widerstand angehörte, öfters in diesem Kreis seine Vorstellungen vortrug. Im November 1943 sprach er in Anwesenheit von Paul Reusch von der Notwendigkeit, Hitler von der Führung zu beseitigen, um zu einer Verständigung mit »den Angelsachsen« gegen die »Russen« zu kommen.
Nach dem Scheitern des Attentats vom 20. Juli 1944 wurde Goerdeler verhaftet, vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 2. Februar 1945 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Paul Reusch wurde hingegen nicht verfolgt, offensichtlich verfügte er noch über einen starken Rückhalt im NS-Regime. Andere wurden für viel weniger gnadenlos verfolgt. Josef Weidenauer, ein Arbeiter bei der GHH Sterkrade wurde am Arbeitsplatz wegen übler Nachrede gegen Führer und Militär, sowie kommunistischer Propaganda verhaftet. Vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt, wurde er am 14. August 1944 in Berlin-Plötzensee hingerichtet.
Keine Wirkung ohne Ursachen
Die neue Ausstellung beginnt mit der Errichtung der Naziherrschaft 1933 und endet mit der Kapitulation 1945. Die politischen und materiellen Grundlagen für den Faschismus finden allerdings keinerlei Erwähnung, und was vordem noch in Wort und Bild dargestellt wurde, ist verschwunden. Wer waren die Wirtschaftsführer, die Hitler zur Macht verholfen hatten und die Kriegswirtschaft organisierten?
Nach der Befreiung vom Faschismus gab es kaum eine gesellschaftliche Organisation, die in ihrer Programmatik nicht die Verantwortung der Großindustrie aufgenommen hatte. Das galt insbesondere für SPD, KPD und die Gewerkschaften. Selbst die CDU setzte sich in ihrem »Ahlener Programm« von 1947 kritisch mit dem kapitalistischen Wirtschaftssystem auseinander.6
US-amerikanische Militärgerichte verurteilten bei den Nürnberger Nachfolgeprozessen Industrielle wie Krupp und die Chefs der I.G. Farben als Kriegsverbrecher.
Die Anklagepunkte waren unter anderem:
- »Verbrechen gegen den Frieden,
- Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Plünderung und Raub…,
- Versklavung der Zivilbevölkerung in … besetzten Gebieten, Versklavung von Konzentrationslagerinsassen, …
- Folterung und Ermordung versklavter Menschen. …«
Trotz relativ milder Urteile (es gab auch viele Freisprüche) kamen die meisten der Verurteilten auf Drängen der Adenauer-Regierung nach kurzer Zeit wieder frei.
Wie reibungslos der Übergang vom Kriegsverbrecher zum hochkarätigen Wirtschaftsfunktionär der frühen BRD vonstatten ging, lässt sich am Beispiel von Heinrich Bütefisch aufzeigen:
Bütefisch, Vorstandsmitglied des Technischen Ausschusses der I.G. Farben, Wehrwirtschaftsführer, NSDAP-Mitglied, Mitglied im Freundeskreis Reichsführer SS, war ab 1941 Leiter der Treibstoffproduktion der I.G. Farben-Fabrik in Auschwitz-Monowitz und dort verantwortlich für die brutale Behandlung der Zwangsarbeiter.
Bütefisch wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt, aber bereits 1951 vorzeitig aus der Haft entlassen. Danach machte er schnell wieder Karriere und war Aufsichtsratsmitglied bei verschiedenen Firmen u.a. bei der Oberhausener Ruhrchemie AG.
Die Verantwortung der Großindustrie für die faschistische Diktatur wird immer wieder geleugnet, bestenfalls wird das NS-Herrschaftssystem als Ergebnis von Aktionen wild gewordener Kleinbürger dargestellt.
Es sei an dieser Stelle an den Philosophen Max Horkheimer erinnert, der bereits 1939 aussprach, was heute offenbar unmöglich scheint:
»Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen!«.
Reichstagswahlergebnisse vom 31. Juli 1932 in Oberhausen
Partei |
Stimmen | Prozent |
ZENTRUM |
31 837 | 31,8 |
NSDAP |
25 031 |
25,0 |
KPD |
23 565 |
23,4 |
SPD |
10 215 |
10,2 |
DNVP |
5 830 | 5,8 |
DVP |
1 339 | 1,3 |
Übrige |
Tabelle 2
Reichstagswahlergebnisse vom 6. November 1932 in Oberhausen
Partei |
Stimmen | Prozent |
ZENTRUM |
29 999 | 31,0 |
NSDAP |
20 478 |
21,4 |
KPD |
24 323 |
25,0 |
SPD |
10 000 |
10,3 |
DNVP |
7 159 | 7,4 |
DVP |
1 848 | 1,9 |
Übrige |
3 780 |
Reichstagswahlergebnisse vom 5. März 1933 in Oberhausen
Partei |
Stimmen | Prozent |
ZENTRUM |
34 168 | 31,2 |
NSDAP |
34 019 |
31,1 |
KPD |
18 376 |
16,7 |
SPD |
10 541 |
9,6 |
Schwarzweißrot |
7 812 | 7,1 |
Übrige |
2 894 | 4,3 |
Fotos: Daniel Ullrich, Threedots
MAN SE
Marieke Kuijjer from Amsterdam, The Netherlands
US Army photographers
aus Wikipedia
1 Es handelt sich um Münchner Neueste Nachrichten, Fränkischer Kurier und Schwäbischer Merkur. [zurück zum Text]
2 Johannes Bähr: »Die MAN« 265 [zurück zum Text]
3 Franz von Papen Offizier im Kaiserreich. Nach dem I. Weltkrieg in der Zentrumspartei, 1932 ausgetreten, 1932 Reichskanzler und 1933 bis 1934 Vizekanzler im Kabinett Hitler. Papen gehörte zu den 24 im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof angeklagten Personen. In einem anschließenden Spruchkammerverfahren wurde er zu acht Jahren Arbeitslager verurteilt. Bald darauf vorzeitig entlassen. [zurück zum Text]
4 Kurt Koszyk, Paul Reusch und die »Münchner Neuesten Nachrichten«, Zum Problem Industrie und Presse in der Endphase der Weimarer Republik in VfZ 1/1972, S. 90 ff
(Durchschrift im Hist. Archiv d. GHH 4001012007/6) [zurück zum Text]
5 Zitiert bei Eberhard Czichon: Wer verhalf Hitler zur Macht?. Köln 1967, S. 78 f. [zurück zum Text]
6 Der Zonenausschuss der CDU für die britische Zone beschloss in seiner Tagung vom 1. bis 3. Februar 1947 in Ahlen eine programmatische Erklärung. (Auszug):
»Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von Grund aus erfolgen. Inhalt und Ziel dieser sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr als das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein. Durch eine gemeinwirtschaftliche Ordnung soll das deutsche Volk eine Wirtschafts- und Sozialverfassung erhalten, die dem Recht und der Würde des Menschen entspricht, dem geistigen und materiellen Aufbau unseres Volkes dient und den inneren und äußeren Frieden sichert«.