Karl Marx:
»Revolutionen sind Lokomotiven der Geschichte«

Von Manfred Demmer in Neue Rheinische Zeitung
US-amerikanische Schnellzuglokomotive (1848)

Unter dem Motto von Karl Marx »Revolutionen sind Lokomotiven der Geschichte« führt die Kulturvereinigung Leverkusen e.V. eine Veranstaltungsreihe zum 160. Jahrestag der Revolution von 1848 durch. In der Einladung an einen Text in der letzten Nummer der »Neuen Rheinischen Zeitung« – die in Köln und darüber hinaus entscheidend an dieser demokratischen Erhebung mitgewirkt hatte – erinnert. Damals hatte die von Karl Marx geleitete Zeitung den Kölnern Arbeitern für ihr aktives Mitwirken an den revolutionären Ereignissen gedankt und erklärt: »...ihr (der Revolution, M.D.) letztes Wort wird überall und immer sein: Emanzipation der arbeitenden Klasse!«

Karl Marx | Quelle: KAOS-Archiv e.V.

»Damit«, so heißt es nun in der Einladung, »ist auch jene Vorstellung umschrieben, die, die Kulturvereinigung Leverkusen e.V. veranlasst, eine Veranstaltungsreihe über die bürgerlich-demokratische Revolution von 1848/49 durchzuführen. In ihr soll nicht nur auf die Geschichte zurückgeblickt werden. Es sollen auch aktuelle Fragen angeschnitten werden, wie die damaligen Träger der Revolution, das Bürgertum von heute, mit den Ergebnissen umgehen; wie die Arbeiterbewegung, die am Beginn der 1848er Revolution im Entstehen war, dazu stand und steht.«

 
 


Vier 48er Exkursionen

Zum Auftakt der Veranstaltungsreihe – die vier Exkursionen, ein Konzert mit dem Musiker Georg Klemp und eine Lesung des Kommunistischen Manifests mit dem Schauspieler Rolf Becker umfasst – gab es bereits eine Einführung. In Bildern, Texten und Musik wurde dabei das Thema vertieft, wobei schwerpunktmäßig die Ereignisse im Rheinland und dem bergischen Land betrachtet wurden. Dabei gab es zahlreiche Hinweise auf jahrzehntelang wenig beachtete Aspekte der 1848er Revolution, z.B. den Beitrag der Arbeiter oder die Rolle der Frauen.


Neue Rheinische Zeitung von 1848 | Quelle: NRhZ-Archiv


Anfang März trafen sich die Teilnehmer zur ersten Exkursion vor dem Historischen Rathaus der Kölns, dort wo sich mit dem »Fenstersturz von Köln« jene Ereignisse im Rheinland entwickelten, die als 48er Revolution bezeichnet werden. Ausgehend von der muffigen geistigen Enge und der nationalen Zerrissenheit hatten sich in der Zeit nach dem Wiener Kongress von 1814/1815, der nach der Niederlage von Napoléon Bonaparte in Europa die Grenzen neu festlegte und überall zu Restauration führte, Vertreter des liberalen Bürgertums in vielfältigen Manifestationen zu Wort gemeldet. Höhepunkt dieser bürgerlichen Opposition war das Hambacher Fest 1832.

Die Forderungen der Festteilnehmer nach deutscher Einheit, Freiheit und Demokratie hatten ihre Wurzeln in der Unzufriedenheit der Bevölkerung. Auch die Menschen, die vom aufstrebenden Bürgertum ausgebeutet wurden, strebten nach Veränderung ihrer Lage, wie dies im schlesischen Weberaufstand von 1844 sichtbar wurde. Viele Schriftsteller jener Jahre stellten sich an die Seite des Volkes und trugen mit ihren Texten dazu bei, Orientierung zu geben. Als in Frankreich Anfang des Jahres 1848 das Volk erneut für seine Rechte kämpfte, strahlte dieses Ereignis auch auf die Rheinlande über. Von Köln, der westlichsten Großstadt Preußens, gingen entscheidende Impulse für diese Entwicklung aus. 

Einen Tag nach Weiberfastnacht

Einen Tag nach Weiberfastnacht 1848, am 3.März – knapp zwei Wochen vor den revolutionären Ereignissen in Berlin – wurde im Stadtrat beraten, welche Zugeständnisse man dem preußischen König abringen wolle. Während dessen versammelte sich vor dem Rathaus eine immer größer werdende Menschenmenge, hauptsächlich Arbeiter und Handwerker, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Die Führer dieser Demonstranten, der Armenarzt Andreas Gottschalk, sowie die beiden aus der preußischen Armee entlassenen Offiziere Friedrich Anneke und August Willich begaben sich in den Ratssaal, wo sie die Forderungen der Demonstranten vortrugen.

»Allgemeines Wahlrecht und Wählbarkeit«, »unbedingte Freiheit der Rede und Presse«, »freies Vereinigungsrecht«, »Aufhebung des stehenden Heeres und Einführung allgemeiner Volksbewaffnung mit volksgewählten Führern« waren Forderungen, die so oder ähnlich in jenen Märztagen überall in Deutschland vorgetragen wurden. Zum Teil konnte sich das liberale Bürgertum auch damit anfreunden. Doch es gab weitere Forderungen, die die drei Mitglieder des »Bundes der Kommunisten« – in dessen Auftrag Karl Marx und Friedrich Engels am 21. Februar 1848 in London das »Kommunistische Manifest« veröffentlicht hatten – dem mehrheitlich aus bürgerlichen Honoratioren zusammengesetzten Rat vortrugen.
Fabrikantensohn und Revolutionär – Friedrich Engels | Quelle: KAOS-Archiv e.V.


Gegen Börsenmänner und Geldspekulanten

So erklärte Andreas Gottschalk den Ratsherren, dass der vom alltäglichen Elend gequälte »vierte Stand« sich nicht mehr mit politischen Reformen allein zufrieden geben könne. Indem er auch »Schutz der Arbeit und Sicherstellung der menschlichen Lebensbedürfnisse für Alle« und die »vollständige Erziehung der Kinder auf öffentliche Kosten« forderte, machte er zugleich klar, dass »die Herrschaft einer Oligarchie, einer Carmarilla der Börsenmänner und Geldspekulanten« bekämpft werden müsse. Auf dem Rathausvorplatz marschierte preußisches Militär auf, was viele Demonstranten ins Rathaus drängen ließ. In heller Panik sprangen daraufhin zwei Stadträte aus dem Fenster, wobei sich einer beide Beine brach. Dieser »Kölner Fenstersturz« ging in die Geschichte ein, und die drei Wortführer für eine tiefgreifende – auch die sozialen Verhältnisse betreffende – Veränderung wurden wegen Anstiftung zum Aufruhr verhaftet und angeklagt.


Erschießung des Kölner Revolutionärs Robert Blum | Quelle: KAOS Archiv e.V.


Die Teilnehmer der Exkursion sahen eine brennende Aktualität der damaligen Forderungen. Sie wurden auch mit weiteren Daten der revolutionären Ereignisse in Köln vertraut gemacht (wie der Gründungsversammlung des Arbeitervereins am 11. April, der Herausgabe der »Neuen Rheinische Zeitung" unter der Redaktion von Karl Marx am 1.Juni, des ersten rheinischen Demokratenkongresses am 13./14. August, an dem 14 auswärtige Vereine teilnahmen, oder der großen Volksversammlung am 17. September für eine demokratische und soziale Republik mit der Zusage, die Nationalversammlung für den Fall des Konfliktes mit Preußen zu unterstützen).


Barrikadenkämpfe in Berlin | Quelle: KAOS Archiv e.V.


Kölner Rathausturm

Mit Interesse wurde auch die Information über den Rathausturm zur Kenntnis genommen, wo nach einem Ratsbeschluß vom 28. Januar 1988 neue Figuren angebracht wurden, die handelnde Persönlichkeiten jener Tage waren, wie z.B. Mathilde Franziska Anneke, Rudolf Blum, Moses Heß oder Karl Marx. Das Vorstandsmitglied der Kulturvereinigung Leverkusen e.V., Walter Malzkorn, der damals als IG-Metall-Ortsvereinsvorsitzender mit dem Thema befasst war, zeigte sich angesichts einer offiziellen Darstellung über die Figur von Karl Marx erstaunt, weil dort falsche Angaben gemacht wurden.


Friedrich Engels Geburtshaus in Wuppertal-Barmen
Quelle: Historisches Zentrum Wuppertal


Es folgte ein Rundgang durch die Kölner Altstadt, vorbei an der Gedenktafel für Robert Blum. Dort unter dem Chor von Groß St. Martin an der Mauthgasse (Fischmarkt), war der Radikaldemokrat am 10. November 1807 geboren worden. Am 9. November 1848 ließ er unter den Kugeln des Erschießungskommandos in der Brigittenau bei Wien sein Leben.

Mit dem Zug ging es dann nach Engelskirchen. Die alte bergische Siedlung, die urkundlich erst im Jahre 1353 erwähnt wird und bis 1806 zum Herzogtum Berg gehörte, ist nicht nur darum und wegen ihrer Naturumgebung besuchenswert. Hier gründete der Textilfabrikant Friedrich Engels sen. am 1. Juli 1837 die Textilfabrik Ermen & Engels. Er war der Vater des Sozialisten Friedrich Engels jun., der mit Karl Marx die als Marxismus bezeichnete Gesellschaftstheorie entwickelte. 1900 wurde hier dann die Wasserkraft der Agger für die Erstellung eines Elektrizitätswerkes genutzt. 1979 wurde die Firma im Zeichen der Textilkrise geschlossen. Seit 1986 befindet sich hier das Rheinische Industriemuseum – Abteilung Engelskirchen.


Engels Baumwollspinnerei in Engelskirchen: »...im Ganzen habe ich kein Vertrauen in die jetzige Conjunctur gesetzt ..."
Quelle: Rheinisches Industriemuseum Engelskirchen


Dauerausstellung »Unter Spannung«

Der Besuch der interessanten Präsentation bringt allen Besuchern manche neuen Erkenntnisse. Zu Beginn wird über die Familie Engels informiert, und man kann bei manchen Exponaten erkennen, welche Visionen den reichen Kaufmann Engels umtrieben, als er hier seine Fabrik gründete. Auch wie er die Standortvorteile der Region nutzte, um seinen Profit zu steigern, und wie dies seinen Sohn Friedrich – der für ihn in England, in Manchester arbeitete – immer mehr zu sozialistischen Positionen kommen ließ.
Die Dauerausstellung »Unter Spannung« beleuchtet Anfang und Ende der beinahe 150jährigen Geschichte der Baumwollspinnerei Ermen & Engels. Dreh- und Angelpunkt aber ist die weitgehend erhaltene Kraftzentrale der Fabrik mit zwei Wasserturbinen, Generatoren, Regleranlagen und der großen Schalttafel. Diese war zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch das Elektrizitätswerk von Engelskirchen. Von ihr ausgehend widmet sich die Ausstellung der regionalen wie überregionalen Geschichte der Elektrizität. Im »Lichtraum« lässt sich die erste öffentliche Anwendung des elektrischen Stroms nachleben. Wie die Elektrizität seit Anfang des 20. Jahrhunderts die Arbeit in der Fabrik, im Büro und im Haushalt verändert hat, zeigen verschiedene Ausstellungseinheiten mit einer Fülle interessanter Exponate, z.B. dem ersten Computer der Firma Ermen & Engels von 1970, einer elektrischen Waschmaschine aus den 1930er Jahren oder einem Kühlschrank mit Cola-Flaschen aus den 1950ern.

Neben diesen Exponaten, zu denen auch der älteste erhaltene Generator der Region gehört, ziehen weitere Museumsstücke die Besucher in ihren Bann: Guckkästen befriedigen die Neugier, Tastvitrinen und eine  »Atmosphärenkugel« sprechen in besonderer Weise die Sinne an, Computeranimationen ermöglichen vertiefende Einblicke. Erwähnenswert ist, dass auch unter den technischen Ausstellungstücken manche Hinweise auf die Geschichte der Arbeiterbewegung zu finden sind. Ein Besucher der Exkursion drückte seinen Eindruck so aus: »Nicht nur technisch interessant – auch gesellschaftlich. Hier wird nicht nur über den Fabrikanten berichtet, hier kommen Arbeiter zu Wort und erklären ihre Arbeit.« (PK)


Die Kulturvereinigung Leverkusen e.V. setzte ihre Veranstaltungsreihe mit einer Exkursion nach Düsseldorf und Wuppertal fort.


Weitere Informationen: Rheinisches Industriemuseum, Schauplatz Engelskirchen, Engelsplatz 2, 51766 Engelskirchen, Ansprechpartnerin Kornelia Panek, Tel: 02263-9285114. Öffnungszeiten: Di-Fr 10-17 Uhr, Sa-So 11-18 Uhr, Mo geschlossen. Nach Vereinbarung sind auch Führungen ab 9 Uhr möglich.

[Rheinisches Industriemuseum Engelskirchen]



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