Kulturvereinigung zeigte den Dokumentarfilm »Die Weimarer Republik 1918 – 1933«

Auf einem Dach: Soldaten beim Hissen der Kriegsflagge der Kaiserlichen Marine, März 1920.

Schon zu Beginn des Films kritisierten die leider nur wenigen Zuschauer, dass bei der Darstellung des Ersten Weltkrieges kein Hinweis auf dessen Gründe zu finden waren, dass die Kommentierung an einigen Stellen skandalös ist (z.B. bei der Hungerblockade der Alliierten). Vollkommen schlimm fanden die Zuschauer die Formulierung: »Der deutsche Generalstab schickte Lenin nach Russland«, oder im Zusammenhang mit der »Matrosenmeuterei« die Feststellung, dass die revolutionären Ereignisse die demokratische Entwicklung aufgehalten habe.


Genau umgekehrt ist es, wegen der revolutionären Aktivitäten der Matrosen wurden Grundlagen dafür geschaffen, langjährige Forderungen des Volkes umzusetzen (z. B. Wahlrecht u. a. für Frauen, Betriebsräte, Acht-Stundentag, etc.), die dann allerdings in der Folge wieder von den Demokraten unterhöhlt und abgebaut wurden. Die »Lobpreisung« eines Noske (»Einer muss der Bluthund sein«) als Retter der Demokratie ist bei solcher Sichtweise nicht verwunderlich.


Eisner-Mord

Fragwürdig ist auch die Kommentierung nach dem Eisner-Mord, wo es heißt, dass sich nun seine Gegner formierten und die Räterepublik ausriefen. Die Gegner des Sozialisten waren die, die ihn ermordeten, nicht jene, die nach der Ermordung einen dreitägigen Generalstreik durchführten und an dem Sozialdemokraten, Unabhängige Sozialdemokraten, Kommunisten gemeinsam für Forderungen eintraten, die dann auch gemeinsam die von konterrevolutionären Truppen angegriffene Republik verteidigten. Mit dem Ergebnis, dass über 2200 Personen der vom Kommentar zu Eisner-Gegnern erklärten Personen von der Konterrevolution verhaftet und manche, wie Gustav Landauer u. a. ermordet werden. Man fragt sich, warum dazu nichts gesagt wird?


Kapp-Putsch

Auch bei der Darstellung des Kapp-Putsches muss die Kommentierung, die preußische Beamtenschaft habe gemeinsam mit den Gewerkschaften und »nicht zuletzt der Reichswehr« den Putsch vereitelt, als mehr als fragwürdig ablehnt werden. Wie bitte, die Reichswehr? Hatte sich nicht jener Generalmajor v. Seekt als Chef des Truppenamtes im Reichswehrministerium geweigert, »Truppe auf Truppe« schießen zu lassen? Hatten er und die Reichsregierung nicht den monatelangen Putschvorbereitungen tatenlos zugesehen? Und hatten nicht viele Beamte, die durchweg deutschnational bis auf die Knochen waren, in reaktionären Einwohnerwehren mitgemacht und die Axt an die junge Republik gelegt? Nein, es war und ist nur den einfachen Menschen zu danken, dass dieser Putsch zusammen brach, weil sie erkannten, dieser Angriff war ein Angriff auf ihre bescheidenen Errungenschaften, die dank der Novemberrevolution und der Weimarer Republik erreicht waren. Folgerichtig riefen alle Sektionen der Arbeiterbewegung (Gewerkschaften, die USPD, die SPD, die KPD), aber auch die DDP zum Generalstreik auf. Sie, und nicht die Beamtenschaft und von Seekt, waren die Retter der Republik. Diese gehörten im Gegenteil mit zu jenen Kräften, die nicht die Putschisten zur Verantwortung zogen, welche Hunderte von Frauen, Männer und Kinder ermordeten, sondern die Verteidiger der Republik vor die Gerichte zerrten. Darüber erfährt man in dem Film nichts. Stattdessen wird der kaiserliche General Hindenburg mehrfach als Person geschildert, die sich »subjektiv die größte Mühe gab, getreu der Verfassung« zu handeln, bis er dann »müde« war und Hitler zum Reichskanzler erkor.


Wenig Sinn für »demokratischen Klimbim«

Auch sind Nachfragen mehr als nötig und es war damals, als der Film gemacht wurde (für den Fernsehsender Sat 1, 1988) bekannt, dass z. B. dieser reaktionäre Militär wenig Sinn für den »demokratischen Klimbim« aufbrachte und von finanzkräftigen Gruppen gedrängt wurde, diese Weimarer Republik – in der sich Klassenkämpfe abspielten – in noch reaktionärere Richtung zu verändern. Und hier muss ein Hauptkritikpunkt dieser Geschichtssendung, die offenbar eine »wissenschaftlichen Begründung der Totalitarismustheorie« untermauern sollte, angesprochen werden.


Hitler im Düsseldorfer Industrieclub

Jene Kreise, die zum ersten Weltkrieg drängten, an ihm verdienten, denen die Erwicklungen, die die Novemberrevolution hervorgebracht hatte und die diese hassten wie der Teufel das Weihwasser, die als finanzkräftige Hintermänner reaktionäre und faschistoide Bewegungen unterstützten, die gibt es in diesem Film nicht. Da wird zwar bei der Harzburger Front Alfred Hugenberg genannt (aber wer das war, wird nicht mitgeteilt). Oder die mehrfachen Denkschriften des Reichsverbandes der deutschen Industrie, oder die Eingabe vom November 1932 (bei der Reichstagswahl hatten die Nazis einen großen Stimmrückgang zu verzeichnen) der Creme des deutschen Industrie- und Bankkapitals an den Reichspräsidenten, doch »Herrn Hitler« mehr Einflussmöglichkeiten zu eröffnen, sie kommen in dieser Dokumentation ebenso wenig vor, wie der Auftritt von Herrn Hitler am 27. Januar 1932 im Düsseldorfer Industrieclub, wo die Creme von Banken und Industrie förmlich hinschmolz angesichts dessen, was der »Führer« ihnen versprach, wenn er an die Macht käme. Stattdessen wird die Legende von dem Abwürgen der Weimarer Republik durch »Links und Rechts« gestrickt, dabei werden dann Bilder gezeigt, wie vom Berliner Verkehrsarbeiterstreik, in dem eben nicht nur kommunistische Arbeiter den Streik führte, sondern auch sozialdemokratische und christliche Gewerkschafter und wo dann auch Nazis gegen den Lohnabbau in einer gemeinsamen Streikleitung wirkten. Und auch die Behauptung, der Republik hätten die Demokraten gefehlt (als Beispiel der wenigen Demokraten wurde mehrfach das Reichsbanner und die Eiserne Front dargestellt) wird man hinterfragen dürfen. Wie war das denn beim Preußen-Staatsstreich vom 20. Juli 1932? Kampfbereite Reichsbannerleute warteten vergeblich auf den vorher von ihren Führern erklärten Einsatz für die Verteidigung der Republik, stattdessen lassen sich Otto Braun und Carl Severing ihres Amtes entheben. Und die im Film gestellte Frage nach den »Literaten«?


Nicht erwähnt: Einsteins Warnungen vor dem Faschismus

Da wird als Verteidiger der Republik gerade mal Thomas Mann genannt, auch Kurt Tucholsky wird erwähnt, während Bilder das bunte Leben der Kulturszene jener Jahre vermitteln. Albert Einstein tritt vors Mikrophon, um eine Ausstellung zu eröffnen, man hört seine Worte – nur seine Warnungen vor dem Faschismus, seine Forderungen, in vielen Aufrufen, gegen die reaktionären Entwicklungen in der Republik, davon erfährt der Betrachter nichts. Ebenso ist Carl von Ossietzky, der konsequenteste Verteidiger der Demokratie in dem Film eine Unperson.

Hätten die Autoren nur einmal in die Jahrgänge seiner »Weltbühne« gesehen, dann wären sie zu einer anderen Sichtweise fähig gewesen. Sowohl hinsichtllich der angeblichen »Links-Rechts«-Strangulierung der Weimarer Republik als auch der anderen Aspekte dieser Jahre.


Weimarer Republik gemeuchelt 

Kurz vor Ende des Films gibt es dann doch noch einen Hinweis auf die ökonomischen Kreise, die an einer Hitlerregierung interessiert waren. Da wird die Villa des Kölner Bankiers Kurt Freiherr von Schröder gezeigt, in der am 4. Januar 1933 über eine Hitler-Koalitionsregierung verhandelt wird. Einige Tage später war es dann soweit: Die bürgerlich-parlamentarische Weimarer Republik wurde durch das offene und verdeckte Wirken der verschiedensten reaktionären, antidemokratischen Organisationen, gefördert von finanzkräftigen Gruppen, gemeuchelt. Die Arbeiterbewegung war wegen ihrer Spaltung nicht in der Lage, diesen reaktionären Angriff abzuwehren. Der Film ist nicht geeignet, Aufklärung über den Faschismus und die Errichtung der Nazi-Diktatur zu vermitteln. Trotz einiger interessanter Sequenzen läuft die Dokumentation auf eine unwissenschaftliche Totalitarismustheorie hinaus.


Der Film wurde am 12. November 2007 in Leverkusen im Haus der Kulturvereinigung gezeigt.

Manfred Demmer
Foto: Wikipedia | Deutsches Bundesarchiv