Über die öffentlichen Äußerungen des Dramatikers Herbert Fritsch
Der Theatermacher Fritsch inszeniert gerade den »Puntila« von Bert Brecht im Kölner Schauspielhaus. Seine Inszenierung ist nichts weniger als der Versuch, das Schaffen Brechts ins Subjektivistisch-Postmodernistische hineinzuziehen und so die Arbeit Brechts in ihrer Wirkweise zu untergraben.
Der Regisseur räumte gegenüber der Kölner Stadt-Revue ein, dass seine Aufführung nicht viel mit dem Anliegen Brechts gemein habe. Letztlich führt Fritsch Brecht so auf, wie es ihm gerade in den Kopf kommt. Die große brechtsche Theatertradition wird vom Tableau geräumt, sowohl formal-ästhetisch als auch inhaltlich in ihrem Stellungnehmen gegen Krieg, Armut, Herrschaft, Faschismus und Kapitalismus. Fritsch interessiert sich eher für Lust, Rausch, Sado-Maso-Beziehungen und Freude, und unterrührt dieses halbgar in die Kunst-Suppe, die er aufkocht. Obendrein desavouiert er noch Brechts Einmischung in die Zeit mit der Bemerkung: »Wenn sich Regisseure zur tagespolitischen Lage als Experten gerieren, bin ich nicht dabei.« Von der wirklichen Wirklichkeit will Fritsch eben nicht viel wissen. In heuchlerischer Bescheidenheit gibt er vor, die Realität nicht zu verstehen. Sie scheint ihm aus Ratlosigkeit und bröckelnden Philosophien zu bestehen. Außerdem deutet er an, dass Brecht heute nicht mehr relevant sei, mit dem Hinweis darauf, dass die Wirklichkeit sich verändert habe. Was denn nun? Eine Wirklichkeit, die eh nur Philosophie ist und obendrein bröckelt, also quasi nicht mehr existiert, hat sich gegenüber früher verändert? Da sei Karl Valentin zitiert: »Früher war die Zukunft auch mal besser!«
Als ob das nicht alles ausreicht, bläst Fritsch zum Sturmangriff auf eine der entscheidenen Leistungen des brechtschen Theaters, nämlich die Fähigkeit, Figuren so anzulegen, dass sie einerseits noch konkrete individuelle Menschen darstellen, andererseits bestimmt werden durch Geschichte, Zeit und die prägenden gesellschaftlichen Bedingungen. Diese komplexe Darstellung des Menschen in seiner Subjekt-Objekthaftigkeit wird von Fritsch in gegenaufklärerischer Manier als »thesenhaftes Gebrabbel« bezeichnet. Nun ja, die Wasser der Eindimensionalität sind tief.
Maurice Andante
Das Interview in Kölner Stadtrevue