«…Daylight come an’ me wan’ go home.»
1.3.2017 | Im Geburtsjahr des Pop, 1956, erschienen die beiden ersten Alben von Elvis Presley, der sich den schwarzen Rhythm’n’Blues zu eigen machte, wobei der Hüftschwung wichtig war.
Der «King» war auf bestem Wege, als erster mehr als eine Million Exemplare einer LP zu verkaufen, doch ein Weltmusikalbum zog in den Charts vorbei und knackte den Rekord: «Calypso» von Harry Belafonte, der mit schwarzen Folksongs und Spirituals berühmt geworden war. Das Album begann mit einer neuen Version des schönen alten Liedes «Hill and Gully Rider» aus der Karibik, besser bekannt als «Banana Boat Song». Es geht darin um das nächtliche Beladen von Schiffen unter Bedingungen, die an die Sklaverei erinnern. «Bananen stauen, bis der Morgen kommt», klagt der Sänger stakkatohaft, begrüßt die Morgendämmerung mit einem langgezogenen «Day-O», und der Chor antwortet: «Daylight come an’ me wan’ go home.»
Belafonte wusste, wovon er sang. In New York City geboren, war er als Kind auf Bananendampfern der United Fruit Company nach Jamaika gefahren, wo er einige Jahre bei seiner Großmutter verbrachte. Seine Eltern lebten ohne gültige Papiere in New York, weshalb sie gelegentlich ihren Namen änderten (zunächst von Bellanfanti in Belanfonte). In großer Armut wuchs der Junge heran, mit Helden wie Paul Robeson, dem «schwarzen Gott des amerikanischen Theaters», der im von Hitlers Luftwaffe bombardierten Madrid vor den Freiheitskämpfern sang.
Belafonte machte in seiner Armeezeit später die «Drecksarbeit der niedrigsten und entbehrlichsten Matrosen der U. S. Navy: der Schwarzen». Im Winter ’49 sang er dann zum ersten Mal im Club «Royal Roost», dem damaligen «Epizentrum des Jazz, Geburtsort des Bebop». Drei Jahre später unterschrieb er seinen ersten Plattenvertrag bei RCA Records: kein Vorschuss, zweieinhalb Cent pro verkaufter Single. Die Konditionen waren bei «Calypso» 1956 dann schon besser. Und Belafonte konnte zum Glück auch über das Cover entscheiden. Erste Entwürfe des Labels zeigten ihn «mit einem dicken Bündel Bananen auf dem Kopf» und dem «breiten Grinsen einer Reklamefigur für Karibikreisen».
Am Mittwoch wurde der Weltstar, der sich als Teil der «People’s Songs»-Bewegung von Pete Seeger unzählige Male beschimpfen lassen musste («Geht doch nach Russland, ihr Nigger!» war lange gebräuchlich) und auf der Höhe seines Ruhms vom Ku-Klux-Klan durch Mississippi gejagt wurde, 90 Jahre alt.
Er ist noch im Palast der Republik in der DDR-Hauptstadt aufgetreten, 1983, bei einer Veranstaltung gegen den NATO-Raketenbeschluss. Damals beeindruckte er alle, die mit ihm während seines knapp zweitägigen Aufenthaltes in Berlin zu tun hatten, nicht nur mit seiner Kunst und seiner persönlichen Bescheidenheit, sondern auch mit seiner Geradlinigkeit. Bei einer internationalen Pressekonferenz wurde er von einem Journalisten einer westdeutschen Zeitung nach seiner Meinung über den Einmarsch US-amerikanischer Truppen auf die kleine Karibikinsel Grenada gefragt. Belafonte war genauso überrascht wie fast alle Anwesenden im Saal, denn die Nachricht war erst kurz zuvor von Agenturen gemeldet worden, wovon weder Belafonte noch die ihn Begleitenden wussten.
Ungläubig fragte er zurück: «Sagten Sie eben Einmarsch von USA-Truppen in Grenada?» Der Journalist bejahte und Belafonte antwortete spontan, er bedaure die Anwesenheit von Truppen der USA auf Grenada. Daraufhin fragte der westdeutsche Journalist, ob er lediglich die Anwesenheit von USA-Militär auf Grenada bedauere, oder möglicherweise auch die Anwesenheit von Truppen eines anderen Landes in einem anderen Land. Die Teilnahme sowjetischer Soldaten am Krieg in Afghanistan war zu jener Zeit auch in der DDR ein besonderes Reizthema.
Harry Belafonte überlegte nur kurz und sagte dann kühl: «Ja, ich bedauere auch die Anwesenheit von sowjetischen Truppen in Afghanistan, aber ich bin sicher, die Sowjets bedauern das auch.» Damit war das Thema zunächst abgeschlossen, Kurz darauf erklärte Harry, dass er aus Solidarität mit dem Volk von Grenada sein Programm ändern werde und zusätzlich den Song «Island In The Sun» singen werde, der Grenada gewidmet sei.
Der Aufenthalt Belafontes in Berlin, wo er auch als Ehrenmitglied in die Akademie der Künste aufgenommen wurde, war eines der Hauptthemen in den Nachrichten des DDR-Fernsehens. Trotz seines Bekanntheitsgrades war Belafonte davon sichtlich überrascht. «Ihr behandelt mich wie einen Staatsgast», sagte er zu seinen Begleitern. Die Antwort war kurz und treffend: «Du bist für uns ein Staatsgast, Harry!»
Aus diesem Jahr stammt auch der von ihm produzierte Film «Beat Street», den jeder HipHop-interessierte DDR-Bürger mindestens 50mal gesehen hat. (jW/ZLV)
Quellen: DKP Nachrichten
Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek
Foto: Altfrid weber, Wikimedia, gemeinfrei