Einladung zum Kulturabend
der DKP Köln-Innenstadt
Dienstag 27.2.2018, 19:30 Uhr
Freidenkerzentrum Bayenstrasse 11 50678 Köln
«Grosse Vögel –
Kleine Vögel»
(Uccellaci e uccellini)
Italien 1965, Regie: Pier Paolo Pasolini
Pasolini, der neben Jean Luc Godard mit seinen Filmen Accattone, Mama Roma und dem Evangelium nach Matthäus das europäische Autorenkino besonders prägte, verstand sich immer als politischer, ja, als marxistischer Schriftsteller und Künstler, der genauso Filme drehte, wie er schrieb. Er liebte die einfachen Leute des Friaul oder der Borgate (Vorstädte von Rom) und rekrutierte seine Schauspieler stets aus diesem Ambiente. Franco Citti oder Nino Davoli, der auch die Hauptrolle in «Grosse Vögel – Kleine Vögel» spielt, sind seine bekanntesten Gesichter.
Pasolini provozierte und übertrat schon früh Tabugrenzen, was ihm etliche Prozesse und auch den Rauswurf aus der kommunistischen Partei einbrachte. Die Presse erfand sogar eigens den Begriff «pasolinisch» und verfolgte ihn regelrecht. Den Rauswurf aus der Partei hat er, der er sich zeitlebens als Kommunist verstand, nie überwinden können, zu tief traf ihn das Unverstandensein seines sozialen Mysthizismus, seiner gelebten religiösen Offenbarung und seiner Abweichung vom geforderten marxistisch-leninistischen Formalismus. Dabei stand immer das Volk im Mittelpunkt seines Schaffens, aber eben «pasolinisch». Inspiriert von den Fresken eines Piero della Francesca entstand 1963/64 so sein neorealistischer Jesusfilm, der als zu emphatisch-religiös von der Linken abgelehnt wurde. Pasolini selbst: «Ich hätte den Christus als einen politischen und sozialen Agitator darstellen sollen, um vielleicht das Nihil obstat der offiziellen Marxisten zu erhalten. Das habe ich nicht gemacht, weil es meiner Natur zutiefst widerspricht, die Dinge und auch die Menschen zu entheiligen. Ich will vielmehr so weit wie möglich den Dingen die Heiligkeit zurückgeben.»
(Otto Schweizer, Pasolini, Hamburg 1986) Auch im 1966 erschienenen Film «Grosse Vögel – Kleine Vögel» wird die irreale bürgerliche Welt als nichtlebenswerter Ort anhand mystischer, religiöser Bilder beschrieben. «Die zentrale Frage lautet: was hat ein Marxist wie ich noch in dieser Welt zu suchen? Pasolini spielt erneut und mit viel Ironie seinen alten und ungelösten Widerspruch von Leidenschaft und Ideologie durch. Er ist der sprechende Rabe, der zwei Subproletarier, Vater und Sohn, auf ihremWeg durch eine sich rapide verändernde Welt begleitet- und zum Schluss von den beiden, aus Hunger und weil er ihnen auf die Nerven fällt, verspeist wird.» (ebenda Seite 92 ff) Wieder endet ein pasolinisches Filmwerk mit einem Opfertod, tragikomisch-befreiend-verstörend.
«Der Rabe: Ha,ha,ha,ha! Sie haben Statistiken gemacht und das Gesetz entdeckt, daß wer die gleiche Sprache hat, gleich konsumiert... Und so werden sich alle, indem sie gleich reden, sich auch gleich anziehen, gleich motorisieren usw... So kann man alles in Serie fertigen, endlich.»
Na und, sagen die Proleten, da sind wir doch dabei, das kann man eh nicht ändern. «Der Rabe: He, ich kenne jemanden, der über all das weint, der sagt, daß dies das Ende der Menschheit sein wird – und wenn die Arbeiter nicht bald die rote Fahne wieder in die Hand nehmen, dann wird alles verloren sein… Sie sind die einzigen, die den Produkten eine Seele geben können!» (Uccelacci e uccellini, Drehbuch, s.54 ff). Das letzte Wort über die geliebte bäuerlich-proletarische Welt scheint gesprochen, Pasolini weint über sie und über sich. Aber er hat den Kampf nie aufgegeben und in den 70er Jahren mit seinen «Freibeuterschriften» den Widerstand gegen den heraufziehenden Neoliberalismus im Sinne von Marx und Gramsci befeuert. «Ich kenne die Mörder, die Mörder von Bologna, die Mörder der Kultur, die Mörder der Völker», schreibt er noch kurz vor seiner eigenen Ermordung im November 1975. Er stirbt unter mysteriösen Umständen (mehrmals überfahren) am Strand von Ostia, gerade 53 Jahre alt.
Für Essen und Trinken ist wie immer gesorgt.
Walter Stehling der Jüngere
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