Gleise im Schnee

Von den Veranstaltern des »Zug der Erinnerung« erhielten wir folgende Mail: »...wir haben Opladen in unseren Fahrplan aufgenommen und können Ihnen mitteilen, dass der Zug vom 29. Februar bis zum 1. März im örtlichen Bahnhof Station machen wird.«

Damit findet die Anregung der Kulturvereinigung Leverkusen e.V. ihre Umsetzung.

Der Zug der Erinnerung fuhr probeweise erstmals am 27. Januar 2007 in Würzburg, um der Kinderdeportationen in Mainfranken zu gedenken. Die historische Lok und wenige Wagen mit Fotos der Kinder und Dokumenten über das regionale Deportationsgeschehen riefen bundesweit erhebliches Medieninteresse hervor.

Die ungewöhnliche Darstellungsform und der einfache Bezug zwischen Vergangenheit und Gegenwart, der im Bahnhof, dem früheren wie heutigen Handlungsort, hergestellt werden konnte, machte die Präsentation gerade für Jugendliche gut nachvollziehbar.

Vor dem Hintergrund der in Würzburg gewonnenen Erfahrungen soll der Zug der Erinnerung bundesweit verkehren. Das symbolische und reale Ziel der Reise folgt dabei keiner Fahrplanlogik. Vielmehr bewegt sich der Zug innerhalb regionaler Zentren und verweilt jeweils mehrere Tage, um möglichst viele Menschen auch in weniger urbanen Zentren zu erreichen.

Während des Aufenthalts des Zuges der Erinnerung werden zusätzlich vor Ort Veranstaltungen stattfinden und gesellschaftliche Initiativen Gelegenheit zu eigenen, ergänzenden Darstellungen haben. Je nach örtlichen Aktivitäten verlässt der Zug der Erinnerung spätestens am Ende einer Woche die Region und wechselt in die nächste, um dort den Impuls für Erinnern, Forschen und Gedenken weiterzugeben.

Der Zug der Erinnerung besteht aus mehreren Waggons, in denen die Geschichte der europäischen Deportationen in beispielhaften Biografien nacherzählt wird. Schwerpunkt der Ausstellung ist das Deportationsgeschehen in Deutschland: die Zustellung der Deportationsbescheide, das Herrichten und Verlassen der Wohnungen, der Weg zu den Sammellagern und von dort am helllichten Tag durch die Dörfer und Städte zu den wartenden Zügen.

In einem eigenen Ausstellungsbereich werden mehrere Täter der unterschiedlichen Funktionebenen vorgestellt: Vom Reichsverkehrsministerium über die SS bis hin zu den Logistikplanern der Reichsbahn, die für den Transport der todgeweihten Kinder und Jugendlichen in die Vernichtungslager sorgten. Mehrere dieser Spezialisten setzten ihre Bahnkarrieren in der Nachkriegszeit

Am Ende des zweiten Waggons hängen die noch leeren, durch die Recherche von Schulen und anderen Organisationen zu füllenden Tafeln mit den Fotos und Biographien einzelner Kinder aus den Gemeinden und Städten entlang der Fahrstrecke.

Der Zug der Erinnerung hält auch eine Rechercheneinheit bereit: Computer und Handbibliothek laden zur Spurensuche ein. Hier besteht die Möglichkeit, über die Ausstellung zu sprechen und Erfahrungen auszutauschen.

Ziel

im Grenzbahnhof Görlitz (Sachsen) wird der Zug der Erinnerung die Bundesrepublik verlassen, um auf seiner vorerst letzten Etappe die Gedenkstätte Auschwitz (Oswiecim, Polen) zu erreichen. Engagierte Teilnehmer der Spurensuche, einzelne Jugendliche, Schulklassen und alle anderen Interessierten sind als Begleiter dieser letzten Strecke willkommen. Die Gedenkstätte soll zum 8. Mai 2008, dem Jahrestag der Befreiung vom NS-Regime, erreicht werden.

In Auschwitz werden die dem Zug beigegebenen Dokumente (Ergebnisse der lokalen Spurensuche wie Fotos, Briefe, auch solche heutiger Jugendlicher, Schulklassen usw.) in einer Feierstunde für die deportierten Kinder symbolisch niedergelegt. Neben einem 1992 angebrachten Mémorial für die deportierten französischen Kinder soll eine einfache Plakette die Erinnerung an die aus Deutschland stammenden Jugendlichen festhalten.

Das Gedenken in Auschwitz ist kein Schlusspunkt. Auschwitz war nicht für alle das Ende. Hunderte Kinder und Jugendliche konnten gerettet werden, weil ihnen Zufälle und Menschen halfen. Wenn der Zug der Erinnerung von dort zurückkehren wird, dann mit dieser Botschaft: Dass der Plan der Vernichtung, die umfassend sein sollte, gescheitert ist: Wegen der Kinder, die dem Morden entkamen und wegen der Namen, der vielen Gesichter, die durch unsere Erinnerung aus dem Vergessen in die Gegenwart zurückgeholt werden.

Quelle und weitere Informatioen über die Aktion: http://www.zug-der-erinnerung.eu/