Veröffentlichungen
der Kulturvereinigung Leverkusen e.V.


Startseite (homepage) | zur Archiv-Auswahl | Impressum & Datenschutz

   

 


 

 

   

 

   

 

   

 

Gab es das? Ein Arbeiter, ein Kommunist – Minister in NRW?

Zum 100. Geburtstag von Hugo Paul

In der Mahn- und Gedenkstätte Mühlenstraße in der Landeshauptstadt Düsseldorf wird an den Antifaschisten erinnert; die Stadt Hagen nennt den dort Geborenen einen „Sohn der Stadt“; die DKP würdigt ihn in ihrer Gedenkstätte auf dem Stoffeler Friedhof in Düsseldorf und sogar der Wermelskirchener CDU-Bundestagsabgeordnete Gerhard Braun widmete dem Kommunisten einige Seiten, als er 1989 über „Wermelskirchener in Deutschen Parlamenten“ eine Veröffentlichung machte.
Man sollte also meinen, dass es sich hier um einen Menschen handelt, der anlässlich seines hundertsten Geburtstages – zumal er auch noch Minister war – beachtet und geehrt würde.
Nun, auf eine Anfrage der Kulturvereinigung Leverkusen e. V., was die Landesregierung gedenke, ihrem ehemaligen Minister anlässlich seines hundertsten Geburtstages an ­Ehrungen zukommen zu lassen, wurde man eines anderen belehrt. Der kommissarische Referent für Kultur in der Staatskanzlei NRW teilte kurz mit, „dass meines Wissens bisher keine Veranstaltung der (neu gewählten) Landesregierung zur Erinnerung an Hugo Paul geplant ist“. Umso mehr haben nun Antifaschisten die Aufgabe, sich dieses verdienten Arbeiterfunktionärs, Kommunisten, Antifaschisten und Widerstandskämpfers, des ehemaligen NRW-Ministers, Mitglieds des Parlamentarischen Rates, Landtags- und Bundestagsabgeordneten und Mitbegründers der Einheitsgewerkschaft dankbar zu erinnern .

Wer war Hugo Paul?

Geboren wurde er am 28. 10. 1905 als Sohn eines Schleifers in Hagen. Dort besuchte er die Volksschule. Als Fünfzehnjähriger, der die politischen und sozialen Bedingungen der damaligen Zeit (Kaiserreich, 1. Weltkrieg) kennen gelernt hatte, schloss er sich der FSJ (Freie Sozialistische Jugend) an. Die FSJ hatte sich in der Auseinandersetzung über die Haltung der SPD zu den Kriegskrediten und zum Krieg herausgebildet. Neben Berlin war der Bezirk Niederrhein eine Hochburg, in dem von diesen oppositionellen Jugendlichen eine große Aktivität entwickelt wurde.

Arbeiter – Gewerkschaftsmitglied – Klassenkämpfer

Nach seiner Schulentlassung begann er eine Lehre als Autoschlosser. In Remscheid, wohin er nun gekommen war, wurde er Mitglied des „Deutschen Metallarbeiterverbandes“ (DMV). Hier in dieser bergischen Stadt hatten gerade die Arbeiterorganisationen gezeigt – bei der Niederschlagung des reaktionären Kapp-Putsches (März 1920) – dass einheitliches, gemeinsames Handeln Erfolge zeitigen konnten.

Als Achtzehnjähriger wurde Hugo zum Leiter der Metallarbeiterjugend gewählt. Um die gleiche Zeit (1923) trat er dem KJV, dem „Kommunistischen Jugendverband“ bei. Gemeinsam mit jungen französischen Kommunisten war Hugo Paul auch beteiligt am Protest gegen die Besetzung des Rhein-Ruhr-Gebietes durch französische und belgische Truppen, die in Folge der Reparationen des Versailler Vertrages diesem Nachdruck verleihen sollten. In Düsseldorf und Essen wurden Flugblätter verfasst und verteilt, die die Hintergründe dieser – dem imperialistischen Konkurrenzkampf entspringenden und die arbeitende Bevölkerung besonders belastende Maßnahme aufhellte und zum Kampf für die nationale und soziale Befreiung, gegen das deutsche und französische Monopolkapital aufrief.

In jenen Tagen wurde er auch Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschland, der KPD.

Auch im Kampf gegen die Separatisten, die im Oktober 1923 in Aachen eine „Unabhängige Rheinische Republik“ ausriefen – mit der auch der Kölner Oberbürgermeister Adenauer liebäugelte – und die eine extrem reaktionäre und antidemokratische Politik vertraten, war Hugo Paul beteiligt.

1926 wurde er Leiter des Unterbezirks Remscheid des KJVD, der „Kommunistischen Jugendverbandes Deutschlands“. Hier lernte er auch seine spätere Frau, Luise Klesper kennen.

Mitglied der Bezirksleitung Niederrhein der KPD

Hugo Paul hat in jenen Jahren auch das Studium der Klassiker der Arbeiterbewegung begonnen, weil seine Erkenntnis wuchs, dass ohne fundiertes theoretisches Wissen erfolgorientiertes Handeln schwieriger ist. Daneben wirkte er auch als Arbeiter­korrespondent der Remscheider KPD-Zeitung „Bergische Volksstimme“. 1929 arbeitet er als Volontär bei der Bezirkszeitung der KPD „Freiheit“ in Düsseldorf. Im Jahr zuvor wurde er in die Bezirksleitung der KPD Niederrhein berufen sowie in die des KJVD.

In der Zeit der großen Weltwirtschaftkrise – auch Hugo Paul war von 1930 bis 1932 erwerbslos – wehrten sich die Arbeiter entschieden gegen immer stärker werdende Versuche der Unternehmer und des Staates, die Lasten den Arbeitern aufzubürden. Dabei kam es auch zu Auseinandersetzungen mit den Gewerkschaftsführungen – die glaubten, sich durch Ausschluss hunderter Metallarbeiter, darunter vieler Funktionäre und zeitweise ganzer Ortsverwaltungen – dieser „lästigen Frage“ entziehen zu können. Es kam – sowohl von den Ausgeschlossenen, wie von anderen Arbeitern – zur Gründung des „Einheitsverbandes der Metallarbeiter“ in Remscheid und Solingen und Hugo Paul wurde von ihnen zum Sekretär gewählt.

Den 1. Mai 1931 erlebte Hugo Paul in der Sowjetunion. Dies war ein bleibendes und prägendes Erlebnis für ihn.

In Deutschland wurde immer mehr sichtbar, dass sich im Zeichen der verschärfenden Wirtschaftskrise der Faschismus breit zu machen begann. Dabei spitzten sich die Auseinandersetzungen in der Arbeiterbewegung zu. Für die Kommunisten waren die Sozialdemokraten, die wesentlich in vielen Regierungen der Weimarer Republik die Politik mitbestimmt hatten, die nun immer mehr Menschen ins Elend führte, „Sozialfaschisten“ – während die Sozialdemokraten die Kommunisten als eine Filiale Moskaus und Feinde der Demokratie betrachteten. Obwohl Hugo Paul als Kommunist in vielen Versammlungen die schädliche Politik der sozialdemokratischen Führer angriff, sah er doch in dem sozialdemokratischen Arbeiter den Bruder, dem er immer wieder die Hand zum gemeinsamen Kampf für die Volksinteressen reichte. Dass seine Auffassung auch von vielen Wählern geteilt wurde, dokumentierte die Tatsache, dass er bei der Wahl am 31. Juli 1932 als einer der jungen Abgeordneten in den Reichstag gewählt wurde.

Faschismus an der Macht – illegale Arbeit

Ein Jahr später war er schon – auch durch die Uneinigkeit der Arbeiterbewegung, die den Faschismus hätte verhindern können – verhaftet. Er hatte als Instrukteur der KPD illegal in Düsseldorf, Neuss und Mönchengladbach gewirkt. Auch organisierte er eine umfangreiche Agitation gegen die Nazigewaltherrschaft. Anlässlich des Jahrestages der Erschießung Leo Schlageters durch die Franzosen in der Golzheimer Heide (Düsseldorf) organisierten die Nazis einen großen chauvinistisch-nationalis­tischen Rummel. Der Tag sollte in Anwesenheit von Hermann Göring gefeiert werden. Hugo Paul verfasste eine Broschüre mit dem Titel „Das Kreuz auf der Heide“, in der mit den Lügen der Nazis und deren aktueller Politik abgerechnet wurde.

Diese schäumten vor Wut. Der Düsseldorfer Nazi-Gauleiter Florian persönlich ­über­nahm die Fahndung nach dem Verfasser und Hersteller der Broschüre. Er blieb ohne Erfolg. Auch die Versuche von SA und SS, in das Arbeiterviertel Düsseldorf-Gerresheim einzudringen, gelangen nicht. Unter Zusammenziehung aller Kräfte unter­nahmen dann am 5. Mai 1933 über dreitausend Nazis eine Großrazzia, weil angeblich Waffen versteckt seien. 280 Arbeiter wurden verhaftet. Hugo Paul wollte – trotz hermetischer Abriegelung – wissen, was geschah. Es gelang ihm, sich ein Bild von der Lage zu verschaffen und einige Tage später erschien die von ihm verfasste Broschüre „Die Wahrheit über Gerresheim“, welche in einer Auflage von 20 000 Stück hergestellt wurde.

Verhaftet und in den Klauen der Nazis

Als er am 24. Juni 1933 die Druckerei, wo eine neue illegale Broschüre hergestellt werden sollte, aufsuchte, wurde er – wie schon erwähnt – von der Gestapo verhaftet. Er kam in den Folterkeller auf der Königsallee und musste fürchterliche Misshandlungen über sich ergehen lassen.

Der Düsseldorfer Antifaschist und spätere Kulturdezernent der Stadt, Hanns Kralik, hat 1935 eine Grafik mit dem Titel „Trotz alledem“, erstellt, die Hugo Paul darstellt.

Wie viele Hunderte anderer Antifaschisten des Bergischen Landes und des Rheinlandes wurde Hugo Paul wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ von der faschistischen Justiz angeklagt. Im Juni 1934 verurteilte ihn das Oberlandesgericht Hamm zu 30 Monaten Zuchthaus; zuvor war er in einem anderen Prozess am 8. Februar schon vom 1. Senat des Volksgerichtshofes verurteilt worden. Nach Ablauf seiner Haftzeit wird Hugo Paul dann in „Schutzhaft“ genommen und kommt in die KZ Esterwegen und Sachsenhausen, wo er sich als Blockältester mit der Häftlingsnummer 545 das Ansehen seiner Mithäftlinge erwarb. Auch seine Lebensgefährtin Luise musste 17 Monate ins Gefängnis. Die in dieser Zeit versandten Briefe zeugen von einer tiefen humanistischen Gesinnung und dem Bemühen, dem jeweils anderen Partner Mut zu machen.

Und Luise Klesper unternahm auch noch eine andere Aktivität, um ihrem Hugo Mut zu machen. Als anlässlich einer Ausstellung im Februar 1939 in Berlin verbilligte Bahnfahrkarten angeboten wurden, nutzte sie die Gelegenheit nach Oranienburg zu fahren. Bereits im Juli 1938 besuchte sie Hugo Paul im KZ Sachsenhausen, um offiziell über die Heirat zu sprechen. Bei ihrem zweiten Besuch ging sie sprichwörtlich in die Höhle des Löwen. Sie suchte den Inspektor aller Konzentrationslager, SS-Führer Theodor Eicke, in seiner Wohnung auf, wo sie die Bitte vorbrachte, sich für eine Freilassung ihres Verlobten einzusetzen.

In Wermelskirchen geheiratet und den Krieg erlebt

Nach seiner Entlassung aus dem KZ (20. April 1939) bekam er in Wermelskirchen bei der Firma Albert Schulte und Söhne eine Arbeit als Schlosser, wo er sowohl vom Unternehmer, wie von den Arbeitern geachtet wurde. Dies wurde auch im namhaften Geldbetrag anlässlich der Hochzeit sichtbar. Hugo Paul heiratete am 1. Juli 1939 Luise Klesper. Obwohl er sich bei seiner Entlassung verpflichten musste, jegliche politische Arbeit zu unterlassen, begann er nach und nach – trotz angegriffener Gesundheit durch die Haft und der schweren Arbeit nach Feierabend – wieder Kontakte im Rheinischen und Bergischen zu knüpfen. Um ihn herum sammelten sich kleine Gruppen von Kommunistinnen und Kommunisten in Solingen und Remscheid, Wuppertal, Velbert und Düsseldorf. Ein loser Kontakt bestand zu Maria Eckertz nach Köln. Bei ausgedehnten Wanderungen wurde der persönliche Kontakt gehalten und politische Informationen ausgetauscht. Dabei waren die Themen bestimmt von der zunehmenden Kriegsgefahr.

In Wermelskirchen erlebte er den Beginn des Zweiten Weltkrieges, den Krieg vor dem er immer gewarnt hatte. Und sicherlich hat auch ihn die Frage beschäftigt, warum und mit welchem Zweck die Sowjet­union einen Vertrag mit Nazideutschland abschloss. Auch als propagandistisch ein „Blitzsieg“ dem anderen folgte, resignierten er und die anderen Antifaschisten nicht.

Ungeachtet der Gefahr für Freiheit und Leben versuchten sie weiterhin, Widerstand gegen die Nazis und den Krieg zu organisieren. In der Zusammenarbeit aller Nazigegner, so waren seine Vorstellungen, könnte es möglich werden, die Beendigung des mörderischen Weltkrieges und den Sturz des Hitlerregimes einzuleiten.

Mit dem führenden Mann einer kommunistischen Widerstandsgruppe in Wuppertal, Alois Kaps hatte Hugo Paul zwei illegale Treffen, bei denen es um die Herangehensweise in der illegalen Arbeit ging. Dabei hatte Hugo Paul die mündliche Propaganda favorisiert, wobei die zentrale Leitung der KPD auch schriftliches Material für notwendig erachtete. Um die Thematik – und andere Fragen des illegalen Widerstandes zu besprechen – war ein Treffen zwischen Hugo Paul und dem Mitglied des illegalen Zentralkomitees der KPD, Wilhelm Knöchel geplant. Dazu kam es nicht mehr.

Erneute Verhaftung

Denn Anfang 1943 erfolgte eine große Verhaftungswelle im Bergischen Land, im Ruhrgebiet, in Düsseldorf und Berlin. Knöchel und vier illegale Instrukteure der KPD wurden verhaftet und später hingerichtet, mit ihnen kamen weitere 200 Antifaschisten (knapp die Hälfte waren Frauen) in Haft und wurden verurteilt. Unter ihnen waren auch Luise und Hugo Paul. Nach ihrer Entlassung wirkt Luise Paul dafür, dass auch nach der Verhaftung von Hugo, die Solinger und Remscheider Widerstandsgruppen weiter arbeiten konnten. Zudem schaltete sie sich in die Vorbereitung der Verteidigung von Hugo beim Prozess vor dem 2. Senat des Volksgerichtshofes in Bielefeld ein. Der Prozess fand am 16. August 1944 statt, für Hugo Paul hatte der Staatsanwalt die Todesstrafe beantragt. Da man ihm aber nicht allzu viel nachweisen konnte, er dazu nicht illegal war und einer Arbeit nachging und das gute Führungszeugnis der Firma, bei der Hugo beschäftigt war, ebenfalls Eindruck machte, wurde er zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt.

Hugo Paul kam ins Zuchthaus nach Butzbach. Bei ihren Besuchen im Zuchthaus entstand die Idee zu einem Fluchtplan. Hintergrund war die reale Gefahr, dass wegen der sich für die Nazis immer verschlechternden Situation ihre Gegner liquidiert werden könnten, wie es in den letzten Kriegstagen an vielen Stellen auch geschah (so in der Wenzelnbergschlucht bei Langenfeld, wo im April 1945 noch einundsiebzig Menschen hingerichtet wurden). Der Fluchtplan kam jedoch nicht zur Ausführung.

Keine Zeit zum Ausruhen –
Ein neues Deutschland sollte entstehen

Als im April 1945 im Bergischen Land der Faschismus von den Alliierten beendet wurde und sich sofort antifaschistische Kräfte bemühten, nicht nur den Schutt von den Straßen, sondern auch aus den Köpfen wegzuräumen und Grundlage für ein neues, ein besseres Deutschland zu schaffen, gehörte Luise Paul in Wermelskirchen zu den „Frauen der ersten Stunde“. Hugo Paul schaltete sich nach seiner Rückkehr sofort in die Arbeit ein. Gemeinsam mit Sozialdemokraten half er mit, das Leben in Gang zu bringen. Im Rhein-Wupper-Kreis gehörte er am 2. September 1945 zu den Gründern der sich nun überall entwickelnden Einheitsgewerkschaft, in Radevormwald war er am 1. Oktober 1945 bei der Gewerkschaftsgründung beteiligt. Er, wie seine kommunistischen Freunde, setzte sich vehement für die Einheit der Arbeiterbewegung ein, die als das notwendigste angesehen wurde, um den demokratisch-antifaschistischen Neuaufbau Deutschland sichern zu helfen. Aus dem Zusammenbruch der Weimarer Republik, der Machtübertragung der Faschisten und dem 2. Weltkrieg zog er die wichtigste Lehre, dass die Einheit der Arbeiterklasse und die Beseitigung der wirtschaftlichen und politischen Macht der Konzern- und Bankherren das A und O, die Grundvoraussetzung für eine wirkliche demokratische Entwicklung eines neuen Deutschland ist.

Diese Auffassung wurde nicht nur von ihm und seinen politischen Freunden vertreten, sondern war weithin Gedankengut all derer, die sich nach dem Zusammenbruch des „Dritten Reiches“ der mühevollen Aufgabe unterzogen, das deutsche Volk aus seinem Niedergang herauszuführen. Im Potsdamer Abkommen – welches die Mächte der Anti-Hitler-Koalition schlossen – war nicht nur die Entmilitarisierung, die Entnazifizierung, sondern auch die Beseitigung der Machtkonzentration in Wirtschaft und Finanzen vorgesehen. Im „Ahlener Programm“ der CDU wurde ebenfalls die Vergesellschaftung der Grundstoffindu­strien gefordert.

Leitung der Kommunistischen Partei am Niederrhein

Anfang Juni 1945 wurde in Wuppertal-Barmen die Bezirksleitung Niederrhein der Kommunistischen Partei Deutschland (KPD) konstituiert. Im August wurde Hugo Paul Leiter der KPD Niederrhein. In einem ersten Aufruf vom August 1945 – der auch seine Handschrift trägt – wird zur Politik der KPD u. a. festgestellt: „… Wir wollen die Einheit des Volkes zur Aufrichtung einer wahren demokratischen Ordnung in Deutschland. Keiner von uns wird so leichtfertig sein anzunehmen, dass wir aus diesem Chaos, aus dieser Zerrissenheit und Verwirrtheit unseres Volkes ohne die Mithilfe aller aufbauwilligen Kräfte herauskämen. Die Herstellung der Einheit des Volkes erfordert zuerst einmal die Einheit der Arbeiterklasse. Wie soll diese Einheit der Arbeiterklasse realisiert werden? Wir müssen uns mit der sozialdemokratischen Parteileitung auf dem Boden des gemeinsamen Arbeiterprogramms im Interesse unseres Volkes zusammenfinden. Es muss ein gutes Verhältnis zur Sozialdemokratie und eine enge Kameradschaft hergestellt werden. Das beiderseitige Misstrauen, selbst wenn einige Funktionäre aus der Vergangenheit nicht gelernt hätten, muss überwunden werden. Genossen! Nicht das Trennende, sondern das was einigt, muss die Grundlage aller Aussprachen mit den Mitgliedern der Sozialdemokratischen Partei sein …“

In diesem Sinne war Hugo Paul bestrebt zu handeln, in seiner Funktion im Land, wie in der Zonenleitung der KPD für die britische Zone. Und ebenfalls in diese Richtung wirkte er in der „Vereinigung ehemaliger politischer Häftlinge und Inhaftierten“, die sich dann am 26. Oktober 1946 in Düsseldorf als „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN) auf Landesebene gründete.

Landtagsabgeordneter und ­Landesminister

In jenen Tagen war er von der britischen Besatzungsmacht in das erste ernannte Landesparlament bestimmt worden. Er, der die Menschen so eindringlich vor den Gefahren der faschistischen Politik gewarnt hatte, der erleben musste, wie in der Folge des faschistischen Raubkrieges die Heimat in einem unvorstellbaren Maße zerstört wurde, zögerte keinen Augenblick, in der ersten Landesregierung von Nordrhein-Westfalen das schwierige Amt des Wiederaufbau-Ministers zu übernehmen. Er unterzog sich dieser, für ihn neuen und unter den damaligen Verhältnissen schweren Aufgabe mit all seinem Fleiß und Können. Und er – der Atheist – half sogar Leuten der Kirche. Pfarrer Augustin Floßdorf aus Mülheim/Ruhr – der auch in der VVN aktiv war – bat 1946 Hugo Paul um Hilfe für „seine“ Kirche, die instand gesetzt werden musste. Der kommunistische Wiederaufbauminister half auch hier schnell und unkompliziert. Und auch „theoretisch“ war er tätig. So finden sich in der kommunistischen Presse jener Tage mehrere Aufsätze von ihm, in denen er zu Fragen der Verfassung Stellung nimmt. „Demokratie und Landesverfassung“ müsse, so wird erklärt und als Position der KPD dargestellt, eine Angelegenheit der gesamten Bevölkerung sein, wie der Landtag das oberste Organ des Volkes, welches sich eine wirklichkeitsnahe Verfassung schaffen müsse. In dieser Artikelserie, die sich mit dem Entwurf des NRW-Innenministers Dr. Menzel für eine Landesverfassung auseinandersetzt, macht Hugo Paul deutlich, dass die Kommunisten „nicht zu Weimar zurück, sondern über Weimar hinaus“ wollen, weswegen auch ein unantastbares Recht auf Volksentscheid gefordert und gegen einen ‚Republikschutzartikel'“ Stellung genommen wird. „Man komme uns nicht“, so schreibt Hugo Paul, „dass dieser Artikel sich gegen reaktionäre Elemente richte. Bei den herrschenden wirtschaftlichen und politischen Machtverhältnissen würde die wiedererstarkende Reaktion diesen Artikel gegen die kämpfende Arbeiterschaft anzuwenden wissen. Gegen reaktionäre und militaristische Umtriebe, die eine demokratische Entwicklung gefährden, hilft nur dauernde Wachsamkeit und Kampfbereitschaft des werktätigen Volkes“.

Erstes NRW-Kabinett unter Ministerpräsident Karl Arnold; v.l. Heinrich Weitz, Walter Menzel, Rudolf Amelunxen, Karl Arnold, Heinz Renner, Erik Nölting, Hugo Paul
Foto aus "Schriften des Landtags NRW, Bd. 13"

Ausgehend von den historischen Erfahrungen der letzten Jahre von Weimar wendet er sich auch gegen das Recht der Landesregierung, den Landtag aufzulösen und den Einspruch der Landesregierung gegen ein vom Landtag beschlossenen Gesetzes. ­Ebenso wird die Wahl von Richtern auf Lebenszeit abgelehnt und die Reinigung der Justiz gefordert. „Nichts ist nötiger als eine gründliche Säuberung des Richterstandes, und nichts ist vordringlicher als eine Demokratisierung unserer Rechtspflege. Wer es ernst mit der Demokratisierung meint, der muss für die Einbeziehung von Laienrichtern bei den Gerichten eintreten .“

Klar und konsequent trat Hugo Paul in seinen Ausführungen auch für das Jugendwahlrecht ab 18 Jahren und die Wählbarkeit ab 21 Jahren ein. In Bezug auf Religion und Weltanschauung spricht er sich für eine Trennung von Staat und Kirche aus und stellt – hier in Übereinstimmung mit dem Menzel-Entwurf – fest: „Es darf keiner gezwungen werden, das sagt die Vorlage mit Recht, an religiösen Handlungen teilzunehmen. Das trifft auch für Krankenhäuser, Erziehungs- und Strafanstalten zu.“ Diese und weitere Gedanken flossen dann in einen Verfassungsentwurf der KPD für Nordrhein-Westfalen ein, der die Debatte um die Landesverfassung befruchtete und in einigen Verfassungsartikeln ihren Niederschlag fand.

Am 10. August 1947 hielt der Wiederaufbauminister ein Referat vor der Landesgruppe Rheinland des Deutschen Siedlerbundes. In diesem Vortrag maß er der Arbeit der Kleinsiedler eine hohe Bedeutung bei, die auch finanziell vom Ministerium unterstützt wurde. Angesichts der Bedeutung der Kleinsiedlerbewegung stellte Hugo Paul in dem Vortrag fest: „Die Siedlungsbewegung darf nicht zu einer einseitigen Interessenvertretung werden, sie darf sich nicht isolieren von der großen sozialen Volksbewegung. Alle unsere Mühe und Arbeit auf allen Gebieten ist unnütz vertan, wenn für die Zukunft der Friede nicht gesichert ist. Deswegen muss auch die Siedlungsbewegung sich einreihen in den Kampf für Frieden und Völkerverständigung. Auf einem ihr nahe liegenden Gebiet ist dies besonders von Nöten: Die Siedlungsbewegung kann in der Praxis nur den erhofften Aufschwung nehmen, wenn eine grundsätzliche Veränderung der Bodenbesitzverhältnisse eintritt. Deswegen muss auch die gesamte Siedlungsbewegung eintreten für eine Bodenreform, die eine umfassende und praktische Neusiedlung ermöglicht .“ Und nicht nur in der Frage der Umgestaltung der ökonomischen Verhältnisse auf dem Land – Großgrundbesitzer gab es nicht nur im Osten, wie z. B. die Namen der Grafen Spee oder Sayn-Wittgenstein belegen – stand der kommunistische Minister an der Seite der einfachen Menschen.

Als im Rhein-Wupper-Kreis im August 1947 die Bauarbeiter in einen Streik traten, weil ihnen ein Viertel der Schwerarbeiterzulage gekürzt wurde, nahm Hugo Paul die Gelegenheit wahr, auf dem Opladener Marktplatz zu den Bauarbeitern zu sprechen. Hier erkannte er die Forderung der Arbeiter nach ausreichender Ernährung und der Kontrolle der Lebens- und Bedarfsgüter an und machte dafür auch den Leiter der Zweizonen-Ernährungsamtes, Dr. Schlange-Schöningen mitverantwortlich.

Wie intensiv sich Hugo Paul – der kein Mann des Baus war – mit den Problemen des Wiederaufbaus befasste, belegen zahlreiche Dokumente, in denen eine Bestandsaufnahme der Situation des Gebietes des späteren Landes Nordrhein-Westfalen vorgenommen und Maßnahmen zur Behebung der Misere vorgeschlagen wurden. In einem Papier des Ministers von 1947 heißt es, dass man im Gebiet von Nordrhein-Westfalen von einer Gesamttrümmermenge von 90 Millionen Kubikmeter auszugehen habe, was ca. 25 Prozent der Gesamttrümmermenge entsprach. Bisher seien etwa 10 Prozent in Nordrhein-Westfalen weggeräumt worden. „Es ist anzunehmen, dass 30 Prozent der Schuttmengen wieder zu verwenden sind. Die ungenügende Trümmerbeseitigung ist auf Mangel an Großräumgeräten und Brennstoffen zurückzuführen“. Im Bericht wird festgestellt, dass lediglich 22 Prozent des zugeteilten Dieselkraftstoffes im Monatsdurchschnitt zur Verfügung stünden, was sich sehr ungünstig auf die Trümmerbeseitigung ausgewirkt hätte. Als ein weiteres Problem wurde in dem Material von Hugo Paul das Wohnen bezeichnet. Angesichts von fast 60 Prozent zerstörten Wohnungen und der Tatsache dass fast so viele Menschen in NRW wohnten wie vor dem Krieg, wozu rund 990 000 Flüchtlinge (8,32 Prozent der Gesamtbevölkerung) bei­trugen, war das Wohnungspro­blem eines der wichtigsten Dinge, die gelöst werden mussten. In dem Papier wird von dem kommunistischen Minister festgestellt: „Tag für Tag tauchen neue Schwierigkeiten auf, die verzögernd wirken auf die Maßnahmen der Baubehörden. Die Stromabschaltungen, die Schwierigkeiten bei der Waggongestellung durch die Reichsbahn, der Mangel an Kraftfahrzeugen, Reifen und Treibstoffen, die ungenügende Versorgung der Bauarbeiter, der Arbeitermangel, alles erschwert die Steigerung des Tempos. Die Bemühungen aller Baubehörden müssen auch in der nächsten Zeit nach wie vor auf die Rettung der baulichen Substanz unseres Volkes gerichtet sein, d. h. stärkere Wiederinstandsetzung beschädigter Gebäude und langsam anlaufender Neubau. Wir wollen aber nicht vollständig Zerstörtes wieder in der alten Form aufbauen, sondern der Wiederaufbau muss schon im Zeichen neuer planerischer und baulicher Erkenntnisse stehen. Kein fortschrittlicher Mensch will das Wiedererstehen der alten Häuserblöcke mit licht- und luftlosen Mietskasernen, mit engen Straßen und schlechten Verkehrslinien. Noch stehen wir am Anfang der Planung. In einer Reihe von Städten und Kreisen sind bereits Wiederaufbaupläne unter neuen Gesichtspunkten entwickelt. Wenn wir die Möglichkeiten der planerischen Neugestaltung der heutigen Zeit nicht ausnutzen, dürfen auf dem Gebiet des Bauwesens Jahrhunderte vertan sein. Gewiss sind himmelstürmende Pläne einiger Stadtplaner nicht am Platze, aber ein Zurück zum Alten darf es gleichfalls nicht geben .“

Aktiv für die Einheit ­Deutschlands

Eine Hinwendung zum Neuen war für Hugo Paul auch in der Frage der Verfasstheit eines neuen demokratischen Deutschland angesagt. Er gehörte in der KPD mit zu den Persönlichkeiten, die sich früh für eine Politik aussprachen, die an den Interessen des deutschen Volkes ausgerichtet war. Auf der Bezirksdelegiertenkonferenz der KPD Niederrhein am 22./23. März 1946 in Wuppertal hatte er u. a. erklärt, dass der Weg zur Demokratie und zum Sozialismus entsprechend den speziellen deutschen Verhältnissen geschehen müsse. Sowohl in England und Frankreich als auch in der Sowjetunion seien für den demokratischen Aufbau gänzlich andere Vorbedingungen vorhanden, so dass eine schematische ­Übertragung abgelehnt werden müsse. Ausgehend von der Erkenntnis, dass für den erfolgreichen Aufbau eines neuen Deutschlands auch die Spaltung der Arbeiterklasse überwunden werden muss, wirkte Hugo Paul auch für die Einheit der Arbeiterparteien.

Dies wurde beim Vereinigungsparteitag von KPD und SPD in Berlin (1946) von den Delegierten anerkannt. Sie wählten Hugo Paul mit weiteren 19 Sozialdemokraten und Kommunisten aus den Westzonen in den Parteivorstand der „Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands“ (SED). Das rief einige Tage später die britische Besatzungsmacht auf den Plan, die die Ausübung des Mandats verbot.

Vehement setzte er sich gegen die immer deutlicher werdenden Tendenzen zur Bildung eines Teilstaates nach westlichem Muster ein. Dabei wurde auch Kritik an der Bildung des Landes NRW geübt, jedoch zugleich alle Möglichkeiten genutzt, sich für die Interessen des schaffenden Volkes einzusetzen. Auch als KPD-Vertreter im Parlamentarischen Rat (neben Max Reimann und als Vorgänger von Heinz Renner ), der am 1. September 1948 von den westlichen Besatzungsmächten eingesetzt worden war, wird der Kampf gegen die Spaltung Deutschlands und für eine einheitliche demokratische Republik geführt. Seine Position hatte Hugo Paul u. a. in einem Statement vom 4. Dezember 1947 deutlich gemacht, das er anlässlich des 1. Deutschen Volkskongresses in Berlin (6./7. Dezember 1947) veröffentlichte. Dieses Treffen wurde von 2 215 Teilnehmern besucht, darunter befanden sich trotz teilweisem Verbot und Schwierigkeiten der westlichen Besatzungsmächte auch 664 Delegierte aus den Westzonen. In der Stellungnahme stellt Hugo Paul u. a. fest: „Die Durchführung der Demokratisierung auch im Westen Deutschlands ist eine entscheidende Voraussetzung für die Einheit Deutschlands und die Sicherung des Friedens. Demokratisierung heißt: Beseitigung der Monopole und Trusts, Entmachtung der Monopolisten und des Großjunkertums, heißt: Überführung der Schlüsselindustrien in die Hände des Volkes und Übergabe des Bodens der Junker an die Landarbeiter, Bauern und Flüchtlinge. Der Wunsch und das Verlangen des deutschen Volkes nach der wirtschaftlichen und politischen Einheit Deutschlands sollen auf dem einberufenen Volkskongress machtvollen Ausdruck finden. Je stärker das fortschrittliche Deutschland die Einheit unseres Landes und der Nation fordert, um so eher werden die Alliierten dieser Notwendigkeit entsprechen. Die drückende Ungewissheit über seine Zukunft ist nur zu beseitigen, wenn man dem deutschen Volke einen gerechten Frieden gibt. Ein Friedensvertrag kann nicht ohne, sondern nur mit dem deutschen Volke abgeschlossen werden. Möge der Volkskongress ein Meilenstein auf dem Weg zu einem einheitlichen Deutschland und zu einem gerechten Frieden sein .“

Während vierzehn Tage später in Düsseldorf 295 nordrhein-westfälische Delegierte des Volkskongresses (darunter Mitglieder aller Parteien) zusammenkommen, um zu beraten was weiter zu tun sei, beschloss zur gleichen Zeit der Parteivorstand der Sozialdemokratie der Westzonen, dass die Teilnahme und Unterstützung des Volkskongresses mit der Mitgliedschaft in der SPD unvereinbar sei.

Einen Monat später verbietet die britische Militärbehörde die Durchführung eines Volkskongresses für das Land Nordrhein-Westfalen. In einer Rede am 3. Januar 1948 stellt Hugo Paul vor der VVN fest, dass sich viele Hoffnungen, die Anfang 1947 vorhanden gewesen sein mögen, zerschlagen hätten. „Der gerechte Friede hat noch keinen Einzug bei uns gehalten. Wer Deutschland liebt, wer für sein Volk opfervoll sich einsetzte wie die Verfolgten des Naziregimes, der kann nie und nimmer von der Einheit Deutschlands und seines Volkes lassen. Zwar haben sich die Alliierten in der Deutschland-Frage auf der Londoner Konferenz noch nicht einigen können. Aber dem Verlangen des deutschen Volkes nach seiner Einheit muss dennoch am Schlusse entsprochen werden. Wer Augen hat, zu sehen, und Ohren hat, zu hören, der weiß, dass es Kräfte in der Welt gibt und leider auch in Deutschland, die kein Interesse an einem einheitlichen Deutschland haben. Entgegen diesen Kräften müssen die Verfolgten des Naziregimes in vorderster Reihe der Kämpfer für die Einheit Deutschlands stehen .“ Hinsichtlich des demokratischen Anfangs stellte der Minister fest: „Das große Ziel, welches der Inhalt des Kampfes der deutschen Widerstandsbewegung gegen die Hitler-Diktatur war, nämlich die Demokratisierung Deutschlands, steht in unserem Lande noch in den Kinderschuhen. Zwar sieht man nicht mehr auf den Straßen die braunen und schwarzen Kolonnen des Nazitums, und ihre Kriegs- und Mordgesänge dröhnen nicht mehr in unseren Ohren. ­Aber es wäre ein Trugschluss, anzunehmen, dass der Nazismus, der Militarismus und die Reaktion bereits aus unserem Volksleben ausgeräumt sei. Zwar haben hier und dort in den Amtsstuben, in den Direktionszimmern einige Gesichter gewechselt. Aber im Großen und Ganzen reagieren und diktieren in unserer Wirtschaft, als dem materiellen Fundament des Landes, die Auftraggeber und die Helfershelfer des vergangenen Terrorsystems. Nur Narren können annehmen, dass mit solchen Kräften, und wenn sie sich auch demokratisch tarnen, ein demokratischer Neuaufbau möglich sei. Das ganze Wirtschaftsleben wird nur gesunden, wenn die Schlüsselpositionen in der Wirtschaft mit aufrechten konsequenten Demokraten besetzt werden. Nur wenn man die Volksinitiative weckt, den Weg freilegt vom reaktionären Schutt, ist eine entscheidende Vorraussetzung für die Überwindung der Not geschaffen .“ Überall trat der kommunistische Minister in dem Sinne auf, konsequent die Interessen des Volkes im Blick.

Wegen Konsequenz – Entlassung als Minister

Die Kräfte, von der Hugo Paul in seiner VVN-Rede gesprochen hatte, die kein Interesse an der Einheit Deutschland hätten, regten sich bald. Am 7. Februar bekam Hugo Paul, ebenso wie sein kommunistischer Ministerkollege Heinz Renner, Post von Ministerpräsident Karl Arnold . Darin wurde ihm seine Entlassung mitgeteilt, weil er am Tage zuvor im Landtag sich nicht von der Politik der KPD und der Aussagen des KPD-Abgeordneten Josef Ledwohn, der die Spaltungspolitik als „Landesverrat“ geißelte, distanziert hatte, wie man es ihm und Heinz Renner zu verstehen gegeben hatte. Hugo Paul hatte erklärt: „Als diese Regierung gebildet wurde unter der Führung des Herrn Ministerpräsidenten Karl Arnold, wurde in diesem Hause eine Regierungserklärung abgegeben, in der ohne jeglichen Vorbehalt ein Bekenntnis zur Einheit Deutschlands abgelegt wurde. (Zwischenruf links: Sehr richtig!) Die gestrigen und heutigen Verhandlungen in diesem Hause haben bewiesen, dass es hier Kräfte gibt, die nicht bereit sind, sich mit den demokratischen Kräften in der sowjetischen Besatzungszone zusammenzusetzen. (Zwischenruf rechts: Nicht richtig?), um zu beraten über die Herstellung der Einheit Deutschlands. (Sehr gut, links!) Man hat das mit einem deutlichen Nein von einigen Herren der CDU-Fraktion unterstrichen. Und dieses deutliche Nein ist eine Absage an die Menschen in der sowjetischen Besatzungszone, ist ein Bekenntnis zu einem westdeutschen Staat und grenzt, ob man will oder nicht, an jenes verhängnisvolle Wort, welches man mit dem Wort „Landesverrat“ bezeichnet (Bravorufe links!) Ich bekenne mich zur Einheit Deutschlands und stelle mich hinter die Erklärung meiner Fraktion. (Bravorufe und starker Beifall links)“

In seiner weiteren Rede wandte er sich an den Fraktionschef der CDU im Landtag, Konrad Adenauer . „Am gestrigen Tage – und das habe ich deutlich gehört – Herr Dr. Adenauer – da kam aus Ihrer Fraktion mehrfach der Zuruf, als der Abg. Wascher sprach, der Paul war ja auch in Frankfurt. Jawohl, Herr Adenauer, ich war mit dem Herrn Ministerpräsidenten und dem Herrn Innenminister in Frankfurt. Aber die Herren werden bestätigen müssen, dass ich während der Verhandlungen gebeten habe, diese neuen Entscheidungen und den Vorschlägen der Generäle deutscherseits nicht zuzustimmen, ohne den Landtag des Landes Nordrhein-Westfalen befragt zu haben. (Zuruf aus der KPD: Hört, hört!) Ich habe in der deutschen Konferenz meinen Standpunkt in einer Erklärung dargelegt und diese Erklärung war eindeutig und klar. Es ist keinem Menschen hier in den westlichen Zonen der Vorwurf des Landesverrats gemacht worden, wenn sie Befehle der britischen und amerikanischen Militärregierung durchgeführt haben. In Frankfurt aber, meine Damen und Herren, da sind deutsche Vertreter freiwillig auf die Vorschläge der Generäle eingegangen (Hört, Hört!) Das war nicht ein Befehl. Dort sind Gegenvorschläge gemacht worden… Nun ein Wort, Herr Dr. Adenauer. Sie versuchen mit in Ihren Ausführungen zu unterstellen, dass wir nicht unsere Ministerposten verlassen wollen. Herr Dr  Adenauer, ich habe nicht zur Harzburger Front gehört und gehörte nicht zu den Jasagern des Ermächtigungsgesetzes Adolf Hitlers im März 1933. (Beifall bei der KPD). (Zuruf aus der KPD: Christine Teusch soll zurücktreten!) Ich brauche mir kein Alibi zu holen für mein Verhalten während der Nazizeit. (Zuruf Dr. Adenauer (CDU): Ich war nicht in der Harzburger Front!) Sie nicht, Sie waren nicht dafür verantwortlich, aber in Ihren Reihen sitzen Männer und Frauen, die Ja gesagt haben zum Ermächtigungsgesetz und die sich anmaßen uns abzustempeln, als wenn wir Nazis wären. Was ist das für eine Gemeinheit. Ich erkenne an, dass auch in den Reihen der anderen Parteien Leute verfolgt worden sind. Ich beuge mich vor diesen Männern und ich fühle mich verbunden mit diesen Männern, weil sie für Deutschland und für die Freiheit unseres Landes eingetreten sind. Aber genauso so wenig kleben wir an unseren Ministerposten, genauso wenig wie wir geklebt haben an unserer Freiheit und unserem Leben …“

In dem Entlassungsschreiben wird sichtbar, dass der Ministerpräsident offenbar eine hohe Achtung vor dem Kommunisten Hugo Paul gehabt haben muss. Denn die Amtsenthebung sei zu seinem „Lebhaften Bedauern“ und „gegen meinen Willen“ entschieden worden und beeinflusse in keiner Weise „die Wertschätzung, die ich Ihrer Person gegenüber empfinde“.

Von der bergischen Arbeiterschaft in den Bundestag gewählt

Diese Wertschätzung wurde auch deutlich, als bei den Wahlen zum ersten deutschen Bundestag (14. August 1949) die Wähler des Wahlkreises Solingen-Remscheid ­(überwiegend Arbeiterwähler) Hugo Paul in direkter Wahl in den Bundestag delegierten. Er erhielt 20,9 Prozent der Stimmen (bei der ersten NRW-Landtagswahl vom 20. April 1947 war Hugo Paul mit 27 Prozent der Stimmen ebenfalls direkt in den Landtag gewählt worden). Wie in den anderen parlamentarischen Gremien, in denen Hugo Paul gewirkt hatte, nutzte er die Möglichkeiten der Parlamentsarbeit ohne die außerparlamentarische Arbeit zu vernachlässigen. Als Bundestagsabgeordneter wandte er sich z. B. im April 1950 über die Presse an die Öffentlichkeit, um über das erste Wohnungsbaugesetz zu informieren, das „ein fauler Kompromiss“ sei. In dem Artikel untersuchte er die Haltung der SPD und der anderen Parteien, die alle Änderungsanträge der KPD – die „den sozialen Bedürfnissen der breiten Masse“ entsprochen hätten – abgelehnt hatten. Er kritisierte die „Nachgebepolitik der SPD-Fraktion“ und wies in Zusammenhang damit auf einen SPD-Entwurf für den sozialen Wohnungsbau hin. „Wahrlich,“ so erklärte er, „dieser Entwurf hätte eine gute Arbeit abgeben können, aber Zug um Zug wurde bei den Beratungen der Regierungsvorlage nachgegeben, und so konnte der Berichterstatter im Bundestag unter Zustimmung der SPD-Fraktion erklären, der Gesetzentwurf der SPD sei durch die Annahme des ersten Wohnungsbaugesetzes als erledigt zu betrachten . Dieses Wohnungsbaugesetz beinhalte neue Geschenke an die Großkapitalisten, so wurden Unternehmen Zusagen von öffentlichen Mitteln für den Werkswohnungsbau erteilt.

Auch in anderen Punkten hätten die Kommunisten nicht zustimmen können. Die KPD-Fraktion habe mit ihren Abänderungsvorschlägen – die konform mit denen der Gewerkschaften waren – versucht, die Gefahren für die Mieter, die sich aus dieser „freien Marktwirtschaft“ ergeben würden, abzuwenden. „Größte Wachsamkeit und der gemeinsame Kampf der breiten Volksmassen gegen die Adenauer-Politik sind erforderlich, sonst werden die Mieter wegen zu hoher Mieten noch mehr, als es leider heute schon der Fall ist, zusammenrücken müssen… Jetzt kommt es darauf an, dass die Werktätigen, die Mieter, Flüchtlinge, Ausgebombten Stellung zu dem Wohnungsbaugesetz nehmen und eine Änderung der umstrittenen Paragraphen verlangen. Die Wohnungsnot ist ein Teil des nationalen Notstandes unseres Volkes.“ Und in einer Erklärung vom 19. Juli 1950 nimmt der kommunistische Bundestagsabgeordnete zur Entscheidung der Bundesregierung Stellung, die Subventionen für Getreide, Phosphat-Düngemittel usw. zu streichen, die „durch den amerikanischen Hochkommissar diktiert und eine Folge der Bindung der westdeutschen Wirtschaft an den Marshall-Plan“ sei. Die dadurch hervorgerufene Brotpreiserhöhung in Verbindung mit der Margarinesteuer bedeute eine beachtliche Mehrausgabe für die Bevölkerung. „Dieser Angriff auf die Lebenslage der Volksmassen löst helle Empörung aus und die Betriebsbelegschaften und Gewerkschaften fordern gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen gegen die Preiserhöhungen der Adenauer-Regierung. Selbst Böckler und andere rechte Gewerkschaftsführer drohen damit. Hat ihnen doch Adenauer bei einer Unterredung versichert, dass er nicht daran denke, die Brot- und Margarinepreise zu erhöhen, und einige Tage später wurde in einer Pressebesprechung von der Bundesregierung mitgeteilt, dass die Aufhebungen der Subventionen und damit die Preiserhöhungen unverzüglich erfolgen.

Adenauer, der Durchführer der anglo-amerikanischen Kolonialpolitik in Westdeutschland versucht nun die Verantwortung für die Verteuerung des täglichen Brotes auf die Bäcker und die kleinen Geschäftsleute abzuschieben. Als geschickter Taktiker versucht er nach dem Motto „teile und herrsche“, eine Schicht der Bevölkerung gegen die andere auszuspielen. So auch in diesem Falle. Mit großer Empörung haben die Bäckerinnungen und die übrigen Geschäftsleute diese betrügerische Verdächtigung und Unterstellung Adenauers zurückgewiesen… Der Angriff der ­Adenauer-Regierung auf unser täglich Brot hat in den Betrieben, Dörfern und Städten große Proteste ausgelöst. Unter dem Druck des schaffenden Volkes stimmte die Mehrheit des Bundestages, die Abgeordneten der KPD, der SPD und auch ein Teil der CDU-Abgeordneten für die Fortführung des bisherigen Preisausgleiches. Die Adenauer-Regierung jedoch denkt nicht daran, den Mehrheitsbeschluss des Bundestages zu respektieren. Sie will keinen Preisausgleich herbeiführen… Damit wird erneut unterstrichen, dass die volksfeindliche Millionärsregierung sich selbst über Mehrheitsbeschlüsse des Bundestages hinwegsetzt. Durch Parlamentsbeschlüsse allein werden die Preiserhöhungen nicht verhindert. Aus allen Betrieben, aus den Dörfern und Städten, aus allen Gemeinden, Kreis- und Landesparlamenten muss jetzt verstärkt die Stimme gegen die Lebensmittelpreiserhöhung erhoben werden .“

Probleme in der kommunistischen Landesarbeit

Hugo Paul war ein geachteter Arbeiterfunktionär, der bescheiden und klug, selbstständig denkend und handelnd versuchte, in den vielfältigen Funktionen in Partei und Gesellschaft die Interessen der breiten Masse des Volkes in den Mittelpunkt der Arbeit zustellen. Es konnte nicht ausbleiben, dass dies die Gegner einer solchen Politik auf den Plan rief. Mit vielfältigen Methoden wollte man das Renommee „ankratzen“. Da wurden ihm zum Beispiel Vorwürfe gemacht wegen der Übergangsbezüge, die er als ehemaliger Minister erhalten hatte und die er der Kasse der KPD zugeführt habe. Obwohl der Landespressechef feststellte, dass alles ordnungsgemäß verlaufen sei und dass „vor dem Krieg derartige Zahlungen an einen ehemaligen Minister bedeutend großzügiger gehandhabt worden seien“, kochte das Thema weiter. Auch die britische Militärregierung wurde gegen Hugo Paul aktiv. Er, der sich an die Seite der Arbeiter stellte, die die Demontagen der Betriebe verhindern wollten, wie sie den Verlust ihrer Arbeitsplätze bedeuteten, wurde „ernsthaft verwarnt“ und energisch darauf hingewiesen, dass die weitere Unterstützung der KPD zu Gegenmaßnahmen führen würden. Am 30. September 1949 hatte Hugo Paul im Bundestag zur Demontagepolitik u. a. gesagt:

Die Demontagen stehen nicht im Gegensatz zum Marshall-Plan, sondern sind ein Teil des Marshall-Plans. Der Marshall-Plan hat ja gerade den Zweck, das deutsche Volk in Abhängigkeit zu halten, und die Demontagen sollen die Abhängigkeit noch untermauern… Die Demontagen – das sehen wir deutlich an dem Beispiel der Thyssen-Hütte – sind die Fortsetzung der Zerstörung des Bombenkrieges. Die Demontagen stehen in engstem Zusammenhang mit den militärstrategischen Überlegungen der Träger des Atlantispaktes und mit konkurrenzwirtschaftlichen Überlegungen ausländischer Großkapitalisten .“

Diese Angriffe wird Hugo Paul sicherlich als Ausfluss der Reaktion auf die Politik der KPD gesehen und entsprechend sich darauf eingestellt haben. Doch wie mag er – der seit 1946 dem Parteivorstand der KPD angehörte, der im Mai 1948 Landesvorsitzender der (allerdings nur kurz, weil die Besatzungsmacht dies verbot) in „Sozia­listische Volkspartei umbenannten KPD und der erst am 9. April 1949 beim zweiten Landesparteitag der KPD NRW erneut zum Landesvorsitzenden gewählt worden war – auf die Tatsache reagiert haben, dass er sich einige Monate später dem Verdacht ausgesetzt sah, „leichtfertig gegenüber solchen Elementen in der Partei gewesen (zu sein), die im dringenden Verdacht stehen, direkte Verbindungen zum Gegner zu haben“ ? Um was ging es?

Vor dem Hintergrund zunehmender Systemauseinandersetzung (Kalter Krieg; Korea-Krieg, etc) und der Tatsache, dass in der Bundesrepublik der Antikommunismus zur Staatsdoktrin erhoben wurde, eine Remilitarisierung und Refaschisierung ungeheueren Ausmaßes stattfand, die zu Einschätzungen der Kommunisten führten, die wenig der realen Situation entsprachen und der Tatsache, dass sich der absolute Führungsanspruch von Josef Stalin in allen Bereich der kommunistischen Politik sichtbar machte, war es zu Konflikten in der Kommunistischen Weltbewegung gekommen. So waren die Kommunisten Jugoslawiens unter Josip Broz Tito nicht bereit, ihre eigenen Vorstellungen über den Weg zum Sozialismus denen von Moskau und Stalin unterzuordnen. In vielen Ländern gab es nun in den Kommunistischen Parteien Diskussionen über den „jugoslawischen Weg“, auch in der KPD.

Entsprechend der Entwicklung nach dem Bruch Moskaus mit Belgrad, wurde im Dezember 1949 eine Kampagne gegen „titoistische Abweichungen“ durchgeführt. Parteimitglieder – besonders jene, die in westlicher Emigration oder Kriegsgefangenschaft gewesen waren – wurden überprüft. Es kam zu Funktionsenthebungen, Maßregelungen und Ausschlüssen. Davon war nun auch Hugo Paul betroffen. In der sozialdemokratischen Zeitung „Rhein-Echo“ wird von einer „Säuberungswelle“ gesprochen, die die KPD überflutet hätte. „Diesmal überspülte sie den kommunistischen Landesvorstand Nordrhein-Westfalen und riss gleich zwei Prominente mit sich fort, den ehemaligen Wiederaufbauminister Hugo Paul, MdL, und den stellvertretenden Chefredakteur des Zen­tralorgans ‚Freies Volk' Josef Schappe… Paul und Schappe gehören immerhin zu den kommunistischen Politikern, denen Sachlichkeit nicht abzusprechen war ..“ Unter dem Titel „Erhöht die Wachsamkeit!“ erschien dann Monate später in der kommunistischen Presse ein „selbstkritischer Rückblick und eine Mahnung“ von Hugo Paul. Nach der Darstellung der politischen Situation in Westdeutschland, die von der Remilitarisierung geprägt war und in der die KPD als konsequenteste Partei aktiv gegen die Militarisierung und für die Einheit eintrat, die es als störendes Element auszuschalten galt, nimmt Hugo Paul dann zu seiner Verantwortung als Landesvorsitzender und der Ablösung Stellung. Es fällt auf, dass er mehrfach Stalin zitiert und die „Tito-Clique“ verurteilt, ebenso Josef Schappe – den er aus der politischen Arbeit vor 1933 schon kannte – und sich der „dulderischen Haltung“ gegenüber dieser Entwicklung bezichtigt.

Weiter „Rädelsführer“ für die Einheit und den Frieden

Hugo Paul blieb weiter Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Parteivorstandes, wo er als Leiter der Abteilung Arbeit und Soziales wirkte. Sowohl in Reden wie in Artikeln machte er die Politik der KPD deutlich. Hugo Paul, der 1950 von Düsseldorf nach Wermelskirchen gezogen war und dort mit der Familie – in dem Jahr wurde auch der Sohn Joachim geboren – wohnte, erhielt im August 1951 Kenntnis davon, dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig beim Bundestag die Aufhebung seiner Immunität beantragt hatte. Und einige Zeit später wurde bekannt, dass die Bundesregierung mit einem Strafantrag gegen Paul vorging, weil er ihr „verfassungsfeindliche Politik“ vorgeworfen habe. Am 11. Dezember 1953 wurde dann Hugo Paul verhaftet, als Grund wusste die „Welt“ zwei Tage später zu vermelden, „da ihm Hochverrat und Staatsgefährdung zur Last gelegt werden“. Die „Aachener Nachrichten“ meldeten dagegen, dass die „polizeilichen Dienststellen erklärten, sie seien nicht befugt, Einzelheiten zu dieser Verhaftung mitzuteilen. Politische Kreise…nehmen an, dass die Verhaftung durch das Bundeskriminalamt veranlasst worden ist“. In der Anklageschrift vom 19. Februar 1954 wurde ihm vorgeworfen „in Düsseldorf und anderen Orten in den Jahren 1951 bis 1953 gemeinsam mit anderen durch ein und dieselbe fortgesetzte Handlung… eine Vereinigung, nämlich das ‚Deutsche Arbeiterkomitee gegen die Remilitarisierung Deutschlands' (DAK) gegründet zu haben, deren Zwecke und deren Tätigkeit sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten, und die Bestrebungen dieser Vereinigung als Rädelsführer gefördert zu haben…“ Vier Monate blieb der „Rädelsführer“ gegen die Remilitarisierung in Untersuchungshaft, währenddessen seine Frau sich wieder bemühte, die Freilassung zu erreichen. Sie – die Frau des ehemaligen Ministers – hatte in jenen Tagen versucht, das Einkommen der Familie mit Waschen und Bügeln aufzubessern, sie war politisch und gesellschaftlich aktiv. Und sie musste auch mit der Tatsache fertig werden, das die Rente, die Hugo Paul für die bei den Nazis erlittene Schäden bekam, von 70 auf 20 Prozent zurückgestuft und dass sogar die Forderung nach Rückzahlung der Rente erhoben wurde. Das geschah zu einer Zeit, in der die Witwe des faschistischen Blutrichters Freisler gut von weitergezahlten Bezügen leben konnte, in der führende Nazis, wie der ehemalige Gauleiter von Düsseldorf, Florian, unbehelligt und dreist in der Öffentlichkeit auftretend, ihren gesicherten Lebensabend verbringen konnten.

Zu Ostern 1954 wurde Hugo Paul aus der Untersuchungshaft entlassen, doch am 27. Dezember des gleichen Jahres erneut verhaftet. Während eines Hafturlaubs entzog sich Hugo Paul der weiteren Inhaftierung und arbeitete nun illegal für seine politischen Ziele. Auch die Familie war von der Illegalität betroffen, so wie nach dem Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands am 17. August 1956 viele Kommunisten und ihre Familien Verfolgungen der Adenauer-Justiz erleiden mussten.

Auch nach dem KPD-Verbot aktiv für Frieden und Verständigung

Als Mitglied des Zentralkomitees und des Politbüros der – nun illegal wirkenden –KPD arbeitete Hugo Paul weiter. In dieser Funktion nahm er auch an Parteitagen der italienischen und der dänischen Kommunisten teil. Als Mitglied einer Parteidelegation weilte er auch in der Volksrepublik China.

Hugo Pauls größte Sorge war die Erhaltung des Friedens. Er handelte nach dem Motto Maxim Gorkis „Ein Mensch, wie stolz das klingt“ für eine menschenwürdige, humane Gesellschaftsordnung, die für ihn nur eine sozialistische sein konnte, wo die Menschen stolz sein konnten, ohne Ausbeutung und Krieg zusammenzuleben. Sein humanistisches Anliegen war mitzuhelfen, eine bessere Gesellschaft zu errichten. Noch wenige Wochen vor seinem Tode – unterbreitete er zu Beginn der Abrüstungsverhandlungen in Genf 1962 den Vertretern von 17 Nationen den Plan, den Frieden in Europa durch die Abrüstung beider deutscher Staaten zu ermöglichen. Nachdrücklich machte er in den persönlichen Aussprachen deutlich, dass im Zeitalter der alles vernichtenden Massenvernichtungswaffen der Krieg als Mittel der Politik auszuscheiden habe. Kein einziges Problem der Welt könne mehr durch einen Krieg gelöst werden.

Ein allzu früher Tod

Plötzlich und unerwartet,“ so konnte der Leser der „Neuen Rhein/Ruhr-Zeitung“ am 6. November 1962 lesen, „ist am 12. Oktober 1962 mein lieber Mann und guter Kamerad, mein liebster treu sorgender Vater, unser bester Bruder und Schwiegersohn, Schwager, Onkel, Neffe und Vetter, der ehemalige Minister für Wiederaufbau des Landes Nordrhein-Westfalen und Bundestagsabgeordnete Hugo Paul im Alter von fast 57 Jahren verstorben. Sein ganzes opfervolles Leben war dem Wohlergehen der arbeitenden Menschen, dem ganzen deutschen Volk gewidmet .“

Luise Paul, die bis zu ihrem Tode einen „einsamen Kampf“ gegen das Vergessen für die Ehre der Naziopfer führte und dabei mancherlei Widrigkeiten erfuhr, erinnerte sich an die letzten Tage von Hugo Paul: „Zwischen seiner Krankheit und den Leiden der Haft bestand ein kausaler Zusammenhang. Er hatte ständig den Eindruck, dass etwas Kaltes den Rücken hinunterlief. Er litt an fürchterlichen Rückenschmerzen, die immer schlimmer wurden. Zuletzt konnte er nicht mehr aus dem Bett aufstehen. Dann ist er in die Charité gekommen. Man hat ihm gesagt, entweder könnte er nach der Operation laufen wie ein junger Hund oder wäre gelähmt bis an sein Lebensende. Er entschied sich für die Operation. Sein größter Wunsch war, seinen Jungen noch einmal zu sehen. Da sind Opa und Oma von Wermelskirchen mit dem Jungen gekommen. Danach ist er an einer Lungenembolie gestorben .“

Die Beerdigung am 10. November in der bergischen Kleinstadt gestaltete sich zu einer politischen Demonstration. Rund 2 000 Freunde, Genossen, Mitbürger gaben diesem konsequenten Antifaschisten das letzte Geleit. Kondolenzschreiben bezeugten das hohe Ansehen, das Hugo Paul auch bei politischen Gegnern hatte. So schrieb z. B. der SPD-Bundestagsabge­ordnete Willi Könen : „… wenn auch unsere politischen Wege unterschiedlich waren, so möchte ich Ihnen anlässlich des Hinscheiden Ihres Mannes und Vater sagen, wie sehr ich die lautere und uneigennützige Art Ihres lieben Verstorbenen zu schätzen wusste …“ Gar nicht zu schätzen wusste dagegen die Staatsmacht, dass natürlich seine politischen Freunde Hugo Paul als Kommunisten, als Angehörigen der Arbeiterklasse beisetzen wollten. Deshalb hatte man das Zeigen von roten Fahnen – Fahnen der Arbeiterbewegung – auf dem Trauermarsch durch Wermelskirchen zum Stadtfriedhof verboten. Als sich dennoch rote Fahnen zeigten, schritt die Polizei ein und beschlagnahmte sie. „Nicht einmal im Tode haben ihm seine Gegner seine Ruhe gegönnt“ empörten sich Trauergäste. Und doch, als die Urne ins Grab gesenkt wurde, war trotzdem eine rote Fahne da. Hans Jennes, langjähriger Weggefährte, sprach am Grabe aus, was die meisten dachten: „Die Arbeiterbewegung verlor einen ihrer Besten. Ihrer Sache treu ergeben, klug und bescheiden, standhaft und mutig, kameradschaftlich helfend, unermüdlich tätig im Dienste der großen Sache, war er einer ihrer unvergesslichen Führer.“

Ein Kommunist – dieser Kommunist als Minister, das gab es – wie ja dargestellt- wirklich. Es ist bedauerlich, dass solche Fakten einer größeren Öffentlichkeit vollkommen unbekannt sind. Gerade heute, wo viele Menschen nach ihrer Geschichte fragen, wo Neofaschisten und stockkonservative Kreise die Geschichte revidieren wollen und Kriegsverbrecher wie Rudolf Hess zu „Friedenskämpfern“ stilisieren, wo die Arbeiterorganisationen, auch die DKP, ihre Geschichte – auch kritisch – aufarbeiten, wo sich das Land Nordrhein-Westfalen gerne geschichtsträchtig gibt – wo auf der anderen Seite dumpfer Nationalismus, Ausländerfeindlichkeit und gefährliche Intoleranz zunehmen oder verständnisvoll hingenommen wird – wäre es angebracht den hundertsten Geburtstag von Hugo Paul zur Propagierung der humanistischen Ziele zu nutzen, für die das Leben dieses Mann steht.

Manfred Demmer, Vorstandsmitglied der Kulturvereinigung Leverkusen e. V. und Mitglied der Geschichtskommission der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP)

Die Druckversion der Veröffentlichung enthält noch Fotos und Faksimili-Dokumente und kann bei einer Einsendung von 3 Euro in Briefmarken pro Exemplar bei der Kulturvereinigung Leverkusen e.V., Am Stadtpark 68, 51373 Leverkusen bestellt werden.
Verzeichnis der Fotos und Dokumente
 
Einladung

Gedenken an Hugo Paul

Freitag, 25. November 2005, 19.30 Uhr im Hause der Kulturvereinigung Leverkusen e.V., Am Stadtpark 68

Am 28. Oktober 2005 hätte Hugo Paul seinen hundertsten Geburtstag feiern können. Doch leider verstarb der Antifaschist – auch bedingt durch die erlittenen Schäden der nazistischen Haft – viel zu früh am 12. Oktober 1962.

Die Kulturvereinigung Leverkusen e.V. möchte an diesen untadeligen Streiter für die Sache des Volkes, an den Kommunisten und Widerstandskämpfer, an den Gewerkschafter, der 1945 die Einheitsgewerkschaft im Rhein-Wupper-Kreis mitgründete, den Parlamentarier und Landesminister in einer kleinen Erinnerungsfeier gedenken.

Wir laden hiermit dazu ein.

Miteinlader sind der Parteivorstand der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) sowie die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN/BdA).

Günter Judick, Leiter der Geschichtskommission der DKP wird die Laudatio halten. Beiträge von Zeitzeugen sind willkommen. Daneben sollen Dokumente von und über Hugo Paul gezeigt und Lieder gesungen werden, die das Leben von diesem bergischen Arbeiterfunktionär begleiteten.

Die VVN/BdA wurde im Oktober 1946 in Düsseldorf von Hugo Paul für das Gebiet des Landes Nordrhein-Westfalen mitgegründet.

 
 
 
 

 
 

 

 

 

 

Seitenanfang

- Kulturvereinigung Leverkusen e.V. - Am Stadtpark 68 - 51373 Leverkusen - KultLever@yahoo.de
Für den Inhalt externer Links sind wir nicht verantwortlich.