Landesgartenschau |
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Anlässlich der morgigen Eröffnung der Landesgartenschau in Leverkusen ruft der »Arbeitskreis zur kritischen Begleitung der Landesgartenschau« zu einer Protestaktion auf. Interessierte treffen sich am »Eingang Mitte« der LaGa in der Leverkusener Adolfsstraße ab 13.30 Uhr |
Uwe Friedrich von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: »Mit Hilfe der Landesgartenschau soll vergessen gemacht werden, dass der BAYER-Konzern über Jahrzehnte hinweg die Gefahren der Dhünnaue – der größten bewohnten Giftmülldeponie Europas – verharmlost hat. Die Deponie vergiftete das Grundwasser und schädigte die Gesundheit zahlreicher Anwohner. Nur teilweise abgesichert soll nun im wahrsten Sinne des Wortes Gras über den Skandal wachsen.«
Auf der Dhünnaue wurden in den 50er Jahren 300 Wohneinheiten, eine Schule, ein Altersheim und ein Kindergarten errichtet. Medizinische Gutachten zeigten bei hunderten von Anwohnern Veränderungen des Blutbilds. In der Hauptschule Adolfsstraße, die am Rand des Geländes lag, traten laut SPIEGEL 15 Krebserkrankungen und fünf Todesfälle auf - viel mehr, als statistisch zu erwarten wäre (s. Artikel unten). Die Gesamtzahl der Opfer ist jedoch unbekannt. Weder BAYER noch die Stadt Leverkusen erfassten die Erkrankungen im Umfeld der Deponie systematisch.
In einem Gutachten hatte das »Landesamt für Abfall und Wasser« schon 1987 festgestellt: »Die untersuchten Boden-Eluate zeigen eine mehr oder weniger hohe, teilweise extreme Belastung des Bodens mit Schadstoffen. Die Schadstoffe sind bereits so weit in den Untergrund eingedrungen, dass auch das Grundwasser davon betroffen ist. Dieser Umstand ist äußerst bedenklich, vor allem im Hinblick auf eine mögliche Gefahr für das Trinkwasser (...) Eine Kontamination z. B. spielender Kinder oder weidendem Vieh ist nicht auszuschließen«.
Die
Coordination gegen
BAYER-Gefahren (CBG) fordert eine vollständige Sicherung des
Geländes auf Kosten des
BAYER-Konzerns sowie einen Gedenkstein für die Opfer der
Dhünnaue auf
dem Gelände der Landesgartenschau. Uwe Friedrich von der CBG:
»Der
Premium Sponsor BAYER darf die Geschichte der Dhünnaue nicht
umschreiben. Die Landesgartenschau hat nur dann eine Berechtigung, wenn
sie die Gefährdung von Umwelt und Bevölkerung durch
die
Chemie-Industrie umfassend thematisiert.«
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»DER SPIEGEL« 13/1992, S. 80 bis 85
Edwald Möller war Hausmeister an der Wiesdorfer Schule. Im Keller des Gebäudes trocknete er in seinen 20 Dienstjahren nach Rhein-Hochwassern »Pfützen mit Farben, so schillernd wie ein Regenbogen«. Hin und wieder fand der Pedell »bunte Ausblühungen hinter abbröckelndem Putz«. Im Jahr 1989, lange nach seiner Pensionierung, klagte der damals 70jährige über Schlaflosigkeit und Schweißausbrüche. Ärzte teilten dem Kranken mit, er leide an »chronisch-lymphatischer Leukämie«, einem Blutkrebs.
Der Ort, an dem Möller und Prinz jeweils 20 Jahre lang wirkten, lässt sich unwirtlicher kaum denken: Eine Aschenbahnlänge trennt die 1960 errichtete Schule an der Wiesdorfer Adolfsstraße vom dröhnenden Lärm der Autobahn A 1 im Norden. Im Westen schmiegen sich die Schulgebäude und ein benachbarter Kindergarten eng an den Autobahnzubringer Westring. Von Süden her grüßen die qualmenden Schlote des Chemieweltkonzerns Bayer (165000 Beschäftigte, über 40 Milliarden Mark Jahressumsatz).
An
Abgase und Autolärm hatten sich die Anrainer der sogenannten
Dhünnaue
in Leverkusen wohl oder übel gewöhnen
müssen. Einen Schock aber löste
bei vielen die Mitteilung aus, dass sie
gleichsam auf einer
gigantischen Müllkippe hocken: einer Deponie von 68 Hektar,
auf der die
Bayer AG zwischen den zwanziger Jahren und 1963 Schutt,
Produktionsrückstände und andere giftigen
Chemiemüll abgeladen hatte.
Wie in einem »Fortsetzungsdrama ohne Ende«, sagt Marianne Hurten, Grünen-Abgeordnete im Düsseldorfer Landtag, komme nun, nach und nach, die Wahrheit ans Licht. Die Grünen-Politikerin, zugleich Betriebsrätin der Bayer-Werke, vergleicht die Dhünnaue mit der meistverseuchten Chemieregion im deutschen Osten: »Die Bitterfelder haben ihren Silbersee«, sagt sie, »in der Farbenstadt Leverkusen war alles etwas bunter – eben eine Farbkloake«.
Bereits
im Mai 1989 hatte die »Beratende
Ingenieursgesellschaft Dr.-Ing.
Björnsen« in einem Gutachten für die Stadt
Leverkusen gefordert, die
Dhünnaue südlich der A 1 »unverzüglich«
zu sichern und zu versiegeln: »Geeignete
Maßnahmen« seien von Nöten, um »die Kontaktmöglichkeit
Mensch-Boden zu unterbinden«.
Was die Bayer AG einst – im Einvernehmen mit der von ihr finanziell weitgehend abhängigen Stadt Leverkusen – alles in die Dhünnaue gekippt hat, ist heute nur noch zu erahnen. Bislang wurden lediglich Proben aus dem 25 Hektar umfassenden Gebiet südlich der A 1 und westlich der Schule Adolfsstraße entnommen. Allein hier hat der Chemiekonzern rund drei Millionen Tonnen Müll abgeladen. Womöglich, warnte bereits der Düsseldorfer FDP-Landtagsabgeordnete Hans-Joachim Kühl nach Gesprächen mit Bayer-Beschäftigten, sei das »Gefährdungspotential« der Dhünnaue-Deponie größer als die Bedrohung durch die Gifte »in der Erde von Bitterfeld«. Diese Befürchtung hätten ihm Mitarbeiter der Umweltschutzabteilung von Bayer anvertraut.
Die
vom Ingenieurbüro Björnsen ausgewerteten Boden- und
Wasserproben
stützen das Szenario von einem Bitterfeld am Rhein: »Im
Oberboden« der
Deponie fanden sich »auffällig hohe
Konzentrationen« von Schwermetallen
und giftigen organischen Verbindungen wie Chlorbenzole, Chlortoluole
und polychlorierte Biphenyle.
Das Grundwasser ist im gesamten Untersuchungsbereich durch deponiebürtige Stoffe deutlich belastet; »Kratzproben von Kellerfußböden in den Häusern der Siedlung Rheinallee belegen, dass die Deponie ihr Gift gleichsam ausschwitzt – nachgewiesen wurden Blei (21 g/kg), Chrom (20 g/ kg) und eine ganze Palette giftiger organischer Verbindungen.
Die
Luft nahe dem Boden »außerhalb bebauter
Flächen« weist »relative
Konzentrationen« von Schadstoffen wie Benzol auf; im Laub von
Pflanzen
wurden »erhöhte
Gehalte« an Schwermetallen wie Blei, Chrom, Arsen und
Cadmium entdeckt. »Mehr als 20« der 57
in den Proben nachgewiesenen
»Stoffe bzw. Stoffgruppen« gelten als »kanzerogenverdächtig«
oder sind
sogar »nachgewiesenermaßen
krebserregend«.
Vollends zum Skandal wird der Fall Dhünnaue durch den Umstand, dass, allen Warnungen zum Trotz, noch immer 106 Familien auf der Giftmüllkippe zwischen Rhein und A 1 leben – in Häusern, die zwischen 1952 und 1953 errichtet wurden.
Und: Nach wie vor unterrichten Lehrer ihre Schüler an der Gemeinschaftshauptschule Adolfsstraße, tummeln sich Pennäler auf dem Schulhof, bringen Eltern ihre Kinder in den benachbarten Kindergarten. Den Betroffenen, so beschwichtigte noch vor vier Wochen der SPD-Landtagsabgeordnete Ludgerus Hovest, sei durch das »Verbreiten von Horrorgemälden« nicht geholfen. Nötig, so der SPD-Politiker, sei vielmehr die »Analyse des Problems, das Aufzeigen von Lösungen und deren Umsetzung«. Die »Altlast Dhünnaue«, bestätigte SPD-Umweltminister Klaus Matthiesen die Sicht des Genossen Hovest, sei »ein hochkomplexer und schwieriger Fall, zu dem es bundesweit bisher kaum eine Parallele gibt«.
Ruchbar wurde der Umweltskandal 1987, als für einen Teil der Dhünnaue zu Planungszwecken eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen wurde. Damals waren, unter anderem in Kellerräumen der Schule, alarmierende Konzentrationen von Giften wie Xylol entdeckt worden.
Was seither geschah, liest sich wie eine Chronik des Versagens: Die Stadt reagierte auf die Xylol-Funde von 1987 lediglich mit ein paar Empfehlungen – die Gartennutzung müsse eingeschränkt werden, Kinder dürften nicht mehr auf den Wiesen der Dhünnaue spielen, unbefestigte Wege und Freiflächen wurden mit einem »Begehungsverbot« (Ordnungsstrafe: 200 Mark) belegt.
Ergebnis: 25 Prozent der Probanden von 1988 wiesen »auffällige Befunde« des Blutbildes auf. Bei 16 Prozent der untersuchten Schüler fanden sich Veränderungen am Blutbild. Eine »akute« Gefährdung der Betroffenen vermochte der Gutachter zwar nicht zu erkennen, er riet gleichwohl dazu, die Schule zu schließen. Denn über eine mögliche »chronische Gefährdung der Probanden«, so Einbrodt, könne er keine Aussagen machen.
Den meisten Lehrern und Schülern der Adolfsstraße dämmerte erst später, in welchem Maße ihre Gesundheit womöglich durch die Giftmülldeponie bedroht wird. Letztes Jahr, so erinnert sich Barbara Ulbricht, Lehrerin der Schule Adolfsstraße, sei ein kranker Kollege von der Schulaufsicht angerufen worden: Er möge sich doch, wurde dem Pädagogen mitgeteilt, »mal vom Amtsarzt untersuchen lassen«.
»Patentrezepte«, beschwichtigt nun die Stadt Leverkusen die verbitterten Bewohner und Anrainer der Giftdeponie am Rhein, habe es »für die Dhünnaue leider nicht gegeben«. Immerhin, lobten die Kommunalverwalter ihr eigenes Engagement, seien von den 259 Familien der Siedlung Rheinallee »heute 156 versorgt« mit neuem Wohnraum; Ende dieses Monats »sollen es 189 sein«. Bis zum Oktober, verspricht die Stadt, werde »das Kapitel 'neue Wohnungen' abgeschlossen« sein.
Ein anderes Kapitel des Skandals ist noch nicht einmal angegangen worden: Zwei Tage vor Weihnachten 1989 hatte die Firma Bayer, festtäglich gestimmt, versprochen, das Gelände mit ihrer Müll-Altlast mittels einer Spundwand abzusichern – geschätzte Kosten: 150 Millionen Mark. Doch bis zum heutigen Tag ist nicht eine einzige Stahlplanke von der versprochenen Spundwand eingerammt worden. Dabei warnen Experten, dass Deponiegifte schon bei mittlerem Rheinwasserstand mit dem Grundwasser ins Landesinnere geschwemmt und bei ablaufendem Rheinwasser in den Strom gesogen werden.
Insgesamt zehn Verträge sind bislang zwischen der Bayer AG und der Stadt Leverkusen abgeschlossen worden. Dieser von der Stadt so genannte »partnerschaftliche« Weg wurde eingeschlagen, weil es, wie Minister Matthiesen erläutert, »wegen der Unklarheit der Rechtslage nicht erfolgversprechend erschien«, gegen den Konzern mit »Ordnungsverfügungen vorzugehen«.
Zu den Betroffenen, die unter dem Hickhack leiden, zählen auch die Bewohner eines Altenheimes am Rande der Deponie. »Über den Fortbestand des Altenwohnheims«, so die Stadt, werde »in nächster Zeit in Abstimmung zwischen allen Beteiligten« eine Entscheidung gefällt. Vor den Alten sind die Haustiere evakuiert worden: Der Verein für Deutsche Schäferhunde e.V., der das Gebiet der Deponie lange Zeit als Klub- und Übungsgelände nutzte, hat das giftbelastete Areal bereits verlassen.
Coordination
gegen BAYER-Gefahren Postfach 150418, D-40081 Düsseldorf Tel: 0211–333 911 , Fax 0211–333 940
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Beirat
Dr.
Sigrid Müller, Pharmakologin, Bremen Dr.
Erika Abczynski, Kinderärztin, Dormagen Eva
Bulling-Schröter, ehem. MdB, Berlin Prof.
Dr. Jürgen Rochlitz, Chemiker, ehem. MdB, Burgwald Dr.
Janis Schmelzer, Historiker, Berlin Wolfram
Esche, Rechtsanwalt, Köln Dorothee
Sölle,Theologin, Hamburg
(gest. 2003) Prof.
Dr. Anton Schneider, Baubiologe, Neubeuern Prof. Jürgen Junginger, Designer, Krefeld |
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